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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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"Und da erschrecken Sie vor mir wie Hamlet vor
seines Vaters Geist?"

"Wenigstens erscheinen Sie mir in sehr fragwür¬
diger Gestalt."

"Nun wohl, da sehen Sie selbst, daß wir eben des¬
halb näher mit einander bekannt werden müssen. Wollen
Sie morgen Abend, oder wenn Sie sonst Zeit und
Lust haben, ein Glas Theepunsch mit mir trinken?"

Ich sagte natürlich nicht nein.

Und dies war der Anfang meiner Bekanntschaft, ja
ich darf wohl sagen Freundschaft mit diesem außeror¬
dentlichen Manne. Wir sind von dieser Zeit an, so
lange ich in Grünwald war, täglich zusammen gekom¬
men, und ich schlage die praktischen Vortheile, die für
mich aus dem Verkehr mit dem Gelehrten sich er¬
gaben, lange nicht so hoch an, als die tiefen Blicke,
die ich in dem vertraulichen Umgange mit dem Menschen
in einen der räthselhaftesten Charaktere thun durfte,
die mir vorgekommen sind. Es muß, fürchte ich, eine
Wahlverwandtschaft zwischen seinem und meinem Wesen
existiren, oder wir hätten uns nicht so schnell finden,
so rückhaltslos gegen einander aussprechen, so auf
Wort und Wink verstehen können. Ich fürchte, sage
ich; denn Berger ist ein sehr unglücklicher Mann. Die
Lichter seines glänzenden Humors spielen auf einem

„Und da erſchrecken Sie vor mir wie Hamlet vor
ſeines Vaters Geiſt?“

„Wenigſtens erſcheinen Sie mir in ſehr fragwür¬
diger Geſtalt.“

„Nun wohl, da ſehen Sie ſelbſt, daß wir eben des¬
halb näher mit einander bekannt werden müſſen. Wollen
Sie morgen Abend, oder wenn Sie ſonſt Zeit und
Luſt haben, ein Glas Theepunſch mit mir trinken?“

Ich ſagte natürlich nicht nein.

Und dies war der Anfang meiner Bekanntſchaft, ja
ich darf wohl ſagen Freundſchaft mit dieſem außeror¬
dentlichen Manne. Wir ſind von dieſer Zeit an, ſo
lange ich in Grünwald war, täglich zuſammen gekom¬
men, und ich ſchlage die praktiſchen Vortheile, die für
mich aus dem Verkehr mit dem Gelehrten ſich er¬
gaben, lange nicht ſo hoch an, als die tiefen Blicke,
die ich in dem vertraulichen Umgange mit dem Menſchen
in einen der räthſelhafteſten Charaktere thun durfte,
die mir vorgekommen ſind. Es muß, fürchte ich, eine
Wahlverwandtſchaft zwiſchen ſeinem und meinem Weſen
exiſtiren, oder wir hätten uns nicht ſo ſchnell finden,
ſo rückhaltslos gegen einander ausſprechen, ſo auf
Wort und Wink verſtehen können. Ich fürchte, ſage
ich; denn Berger iſt ein ſehr unglücklicher Mann. Die
Lichter ſeines glänzenden Humors ſpielen auf einem

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[21/0031] „Und da erſchrecken Sie vor mir wie Hamlet vor ſeines Vaters Geiſt?“ „Wenigſtens erſcheinen Sie mir in ſehr fragwür¬ diger Geſtalt.“ „Nun wohl, da ſehen Sie ſelbſt, daß wir eben des¬ halb näher mit einander bekannt werden müſſen. Wollen Sie morgen Abend, oder wenn Sie ſonſt Zeit und Luſt haben, ein Glas Theepunſch mit mir trinken?“ Ich ſagte natürlich nicht nein. Und dies war der Anfang meiner Bekanntſchaft, ja ich darf wohl ſagen Freundſchaft mit dieſem außeror¬ dentlichen Manne. Wir ſind von dieſer Zeit an, ſo lange ich in Grünwald war, täglich zuſammen gekom¬ men, und ich ſchlage die praktiſchen Vortheile, die für mich aus dem Verkehr mit dem Gelehrten ſich er¬ gaben, lange nicht ſo hoch an, als die tiefen Blicke, die ich in dem vertraulichen Umgange mit dem Menſchen in einen der räthſelhafteſten Charaktere thun durfte, die mir vorgekommen ſind. Es muß, fürchte ich, eine Wahlverwandtſchaft zwiſchen ſeinem und meinem Weſen exiſtiren, oder wir hätten uns nicht ſo ſchnell finden, ſo rückhaltslos gegen einander ausſprechen, ſo auf Wort und Wink verſtehen können. Ich fürchte, ſage ich; denn Berger iſt ein ſehr unglücklicher Mann. Die Lichter ſeines glänzenden Humors ſpielen auf einem

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/31>, abgerufen am 23.11.2024.