Zeit reisen Sie mit Ihrem Zögling. Sie wollen die Welt sehen, und Sie müssen die Welt sehen, und wäre es auch nur, um sich zu überzeugen, daß die Men¬ schen überall mit Recht die Hunde so lieben. Sie haben kein Vermögen, zum Vagabunden sind Sie zu civilisirt. Eh bien! hier haben Sie die schönste Ge¬ legenheit, die Ihnen so vielleicht nicht zum zweiten Male im Leben geboten wird."
"Und wer ist der Alexander, dessen Aristoteles ich werden soll?"
Ein junger Majoratsherr, wie der macedonische Pferdebändiger. Ich habe die noble Sippschaft im vorigen Jahr in Ostende kennen gelernt. Der Mann, ein Baron Grenwitz, ist eine Null, die Frau Baronin ein X., das ich noch nicht habe herausrechnen können. Jedenfalls ist sie eine gescheidte Frau. Ich weiß, daß dies für Sie keine geringe Empfehlung ist. Sie spricht drei oder vier lebende Sprachen gut, ihre Muttersprache nicht ausgenommen. Ich habe sie sogar in Verdacht, daß sie mit ihrem jetzigen Hauslehrer, einem gewissen Bauer, der hier studirt hat, und ein grundgelehrter -- Jüngling war, in aller Stille Latein und Griechisch treibt."
"Und Sie, der Sie mir selber sagten, daß Sie ein Buch über den Adel und gegen den Adel geschrie¬
Zeit reiſen Sie mit Ihrem Zögling. Sie wollen die Welt ſehen, und Sie müſſen die Welt ſehen, und wäre es auch nur, um ſich zu überzeugen, daß die Men¬ ſchen überall mit Recht die Hunde ſo lieben. Sie haben kein Vermögen, zum Vagabunden ſind Sie zu civiliſirt. Eh bien! hier haben Sie die ſchönſte Ge¬ legenheit, die Ihnen ſo vielleicht nicht zum zweiten Male im Leben geboten wird.“
„Und wer iſt der Alexander, deſſen Ariſtoteles ich werden ſoll?“
Ein junger Majoratsherr, wie der macedoniſche Pferdebändiger. Ich habe die noble Sippſchaft im vorigen Jahr in Oſtende kennen gelernt. Der Mann, ein Baron Grenwitz, iſt eine Null, die Frau Baronin ein X., das ich noch nicht habe herausrechnen können. Jedenfalls iſt ſie eine geſcheidte Frau. Ich weiß, daß dies für Sie keine geringe Empfehlung iſt. Sie ſpricht drei oder vier lebende Sprachen gut, ihre Mutterſprache nicht ausgenommen. Ich habe ſie ſogar in Verdacht, daß ſie mit ihrem jetzigen Hauslehrer, einem gewiſſen Bauer, der hier ſtudirt hat, und ein grundgelehrter — Jüngling war, in aller Stille Latein und Griechiſch treibt.“
„Und Sie, der Sie mir ſelber ſagten, daß Sie ein Buch über den Adel und gegen den Adel geſchrie¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="24"/>
Zeit reiſen Sie mit Ihrem Zögling. Sie wollen die<lb/>
Welt ſehen, und Sie müſſen die Welt ſehen, und wäre<lb/>
es auch nur, um ſich zu überzeugen, daß die Men¬<lb/>ſchen überall mit Recht die Hunde ſo lieben. Sie<lb/>
haben kein Vermögen, zum Vagabunden ſind Sie zu<lb/>
civiliſirt. <hirendition="#aq">Eh bien</hi>! hier haben Sie die ſchönſte Ge¬<lb/>
legenheit, die Ihnen ſo vielleicht nicht zum zweiten<lb/>
Male im Leben geboten wird.“</p><lb/><p>„Und wer iſt der Alexander, deſſen Ariſtoteles ich<lb/>
werden ſoll?“</p><lb/><p>Ein junger Majoratsherr, wie der macedoniſche<lb/>
Pferdebändiger. Ich habe die noble Sippſchaft im<lb/>
vorigen Jahr in Oſtende kennen gelernt. Der Mann,<lb/>
ein Baron Grenwitz, iſt eine Null, die Frau Baronin<lb/>
ein X., das ich noch nicht habe herausrechnen können.<lb/>
Jedenfalls iſt ſie eine geſcheidte Frau. Ich weiß, daß<lb/>
dies für Sie keine geringe Empfehlung iſt. Sie ſpricht<lb/>
drei oder vier lebende Sprachen gut, ihre Mutterſprache<lb/>
nicht ausgenommen. Ich habe ſie ſogar in Verdacht,<lb/>
daß ſie mit ihrem jetzigen Hauslehrer, einem gewiſſen<lb/>
Bauer, der hier ſtudirt hat, und ein grundgelehrter<lb/>— Jüngling war, in aller Stille Latein und Griechiſch<lb/>
treibt.“</p><lb/><p>„Und Sie, der Sie mir ſelber ſagten, daß Sie<lb/>
ein Buch über den Adel und gegen den Adel geſchrie¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0034]
Zeit reiſen Sie mit Ihrem Zögling. Sie wollen die
Welt ſehen, und Sie müſſen die Welt ſehen, und wäre
es auch nur, um ſich zu überzeugen, daß die Men¬
ſchen überall mit Recht die Hunde ſo lieben. Sie
haben kein Vermögen, zum Vagabunden ſind Sie zu
civiliſirt. Eh bien! hier haben Sie die ſchönſte Ge¬
legenheit, die Ihnen ſo vielleicht nicht zum zweiten
Male im Leben geboten wird.“
„Und wer iſt der Alexander, deſſen Ariſtoteles ich
werden ſoll?“
Ein junger Majoratsherr, wie der macedoniſche
Pferdebändiger. Ich habe die noble Sippſchaft im
vorigen Jahr in Oſtende kennen gelernt. Der Mann,
ein Baron Grenwitz, iſt eine Null, die Frau Baronin
ein X., das ich noch nicht habe herausrechnen können.
Jedenfalls iſt ſie eine geſcheidte Frau. Ich weiß, daß
dies für Sie keine geringe Empfehlung iſt. Sie ſpricht
drei oder vier lebende Sprachen gut, ihre Mutterſprache
nicht ausgenommen. Ich habe ſie ſogar in Verdacht,
daß ſie mit ihrem jetzigen Hauslehrer, einem gewiſſen
Bauer, der hier ſtudirt hat, und ein grundgelehrter
— Jüngling war, in aller Stille Latein und Griechiſch
treibt.“
„Und Sie, der Sie mir ſelber ſagten, daß Sie
ein Buch über den Adel und gegen den Adel geſchrie¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/34>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.