Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

"Das war sehr unrecht, und sehr unritterlich,
mein Ritter von der traurigen Gestalt," sagte Olden¬
burg; "alte Weiber schwatzen, Männer handeln; solche
Scenen zwischen einem heulenden Weibe und einem
polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬
bejisch und gemein, und das Bewußtsein, das wir im
Rechte, der andere im Unrechte ist, sollte uns doppelt
mild, zartfühlend und nachsichtig machen. Im Un¬
rechte sein, und es noch dazu eingestehen müssen, ist
an sich schon Unglück genug."

"Ach Oldenburg; das ist Alles für mich zu hoch.
Und dann, Du kennst die Weiber nicht, wenn Du
glaubst, sie nehmen sich dergleichen so sehr zu Ge¬
müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder
heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob
Du Hortense ansehen kannst, daß ich ihr vor zehn
Minuten gesagt habe, ich würde Cloten die Knochen
im Leibe entzweischlagen, wenn die verdammte Ge¬
schichte nicht sofort ein Ende nähme."

"Ja, ja, Du bist der wahre Othello! Und ich in
meiner gutmüthigen Dummheit versuche diesen bru¬
talen Mohren zu einem civilisirten Europäer zu
waschen! Quelle betise!"

Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr
vernahm, und die Musik, die aus dem Saale herüber¬

„Das war ſehr unrecht, und ſehr unritterlich,
mein Ritter von der traurigen Geſtalt,“ ſagte Olden¬
burg; „alte Weiber ſchwatzen, Männer handeln; ſolche
Scenen zwiſchen einem heulenden Weibe und einem
polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬
bejiſch und gemein, und das Bewußtſein, das wir im
Rechte, der andere im Unrechte iſt, ſollte uns doppelt
mild, zartfühlend und nachſichtig machen. Im Un¬
rechte ſein, und es noch dazu eingeſtehen müſſen, iſt
an ſich ſchon Unglück genug.“

„Ach Oldenburg; das iſt Alles für mich zu hoch.
Und dann, Du kennſt die Weiber nicht, wenn Du
glaubſt, ſie nehmen ſich dergleichen ſo ſehr zu Ge¬
müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder
heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob
Du Hortenſe anſehen kannſt, daß ich ihr vor zehn
Minuten geſagt habe, ich würde Cloten die Knochen
im Leibe entzweiſchlagen, wenn die verdammte Ge¬
ſchichte nicht ſofort ein Ende nähme.“

„Ja, ja, Du biſt der wahre Othello! Und ich in
meiner gutmüthigen Dummheit verſuche dieſen bru¬
talen Mohren zu einem civiliſirten Europäer zu
waſchen! Quelle bêtise!“

Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr
vernahm, und die Muſik, die aus dem Saale herüber¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0106" n="96"/>
        <p>&#x201E;Das war &#x017F;ehr unrecht, und &#x017F;ehr unritterlich,<lb/>
mein Ritter von der traurigen Ge&#x017F;talt,&#x201C; &#x017F;agte Olden¬<lb/>
burg; &#x201E;alte Weiber &#x017F;chwatzen, Männer handeln; &#x017F;olche<lb/>
Scenen zwi&#x017F;chen einem heulenden Weibe und einem<lb/>
polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬<lb/>
beji&#x017F;ch und gemein, und das Bewußt&#x017F;ein, das wir im<lb/>
Rechte, der andere im Unrechte i&#x017F;t, &#x017F;ollte uns doppelt<lb/>
mild, zartfühlend und nach&#x017F;ichtig machen. Im Un¬<lb/>
rechte &#x017F;ein, und es noch dazu einge&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;chon Unglück genug.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach Oldenburg; das i&#x017F;t Alles für mich zu hoch.<lb/>
Und dann, Du kenn&#x017F;t die Weiber nicht, wenn Du<lb/>
glaub&#x017F;t, &#x017F;ie nehmen &#x017F;ich dergleichen &#x017F;o &#x017F;ehr zu Ge¬<lb/>
müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder<lb/>
heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob<lb/>
Du Horten&#x017F;e an&#x017F;ehen kann&#x017F;t, daß ich ihr vor zehn<lb/>
Minuten ge&#x017F;agt habe, ich würde Cloten die Knochen<lb/>
im Leibe entzwei&#x017F;chlagen, wenn die verdammte Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte nicht &#x017F;ofort ein Ende nähme.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ja, Du bi&#x017F;t der wahre Othello! Und ich in<lb/>
meiner gutmüthigen Dummheit ver&#x017F;uche die&#x017F;en bru¬<lb/>
talen Mohren zu einem civili&#x017F;irten Europäer zu<lb/>
wa&#x017F;chen! <hi rendition="#aq">Quelle bêtise</hi>!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr<lb/>
vernahm, und die Mu&#x017F;ik, die aus dem Saale herüber¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0106] „Das war ſehr unrecht, und ſehr unritterlich, mein Ritter von der traurigen Geſtalt,“ ſagte Olden¬ burg; „alte Weiber ſchwatzen, Männer handeln; ſolche Scenen zwiſchen einem heulenden Weibe und einem polternden Ehemanne finde ich über alle Begriffe ple¬ bejiſch und gemein, und das Bewußtſein, das wir im Rechte, der andere im Unrechte iſt, ſollte uns doppelt mild, zartfühlend und nachſichtig machen. Im Un¬ rechte ſein, und es noch dazu eingeſtehen müſſen, iſt an ſich ſchon Unglück genug.“ „Ach Oldenburg; das iſt Alles für mich zu hoch. Und dann, Du kennſt die Weiber nicht, wenn Du glaubſt, ſie nehmen ſich dergleichen ſo ſehr zu Ge¬ müth. Zum einen Ohr hinein, zum andern wieder heraus. Komm Oldenburg, und überzeuge Dich, ob Du Hortenſe anſehen kannſt, daß ich ihr vor zehn Minuten geſagt habe, ich würde Cloten die Knochen im Leibe entzweiſchlagen, wenn die verdammte Ge¬ ſchichte nicht ſofort ein Ende nähme.“ „Ja, ja, Du biſt der wahre Othello! Und ich in meiner gutmüthigen Dummheit verſuche dieſen bru¬ talen Mohren zu einem civiliſirten Europäer zu waſchen! Quelle bêtise!“ Als Oswald die Stimme der Redenden nicht mehr vernahm, und die Muſik, die aus dem Saale herüber¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/106
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/106>, abgerufen am 21.11.2024.