Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.andern Wortes mit glücklich bezeichnen, und das wir "Und doch tödten sich im Verhältniß so wenig "Ja, das ist merkwürdig genug," sagte der Baron, "Sollte dies nicht ein Beweis dafür sein, daß es "Vielleicht, vielleicht beweist es aber auch nur, wie andern Wortes mit glücklich bezeichnen, und das wir „Und doch tödten ſich im Verhältniß ſo wenig „Ja, das iſt merkwürdig genug,“ ſagte der Baron, „Sollte dies nicht ein Beweis dafür ſein, daß es „Vielleicht, vielleicht beweiſt es aber auch nur, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="116"/> andern Wortes mit glücklich bezeichnen, und das wir<lb/> ihn um ſo glücklicher nennen müſſen, je tiefer dieſe<lb/> Vergeſſenheit iſt. <hi rendition="#aq">The best of life is but intoxi</hi>¬<lb/><hi rendition="#aq">cation</hi>, ſagt Lord Byron; ja wohl! die Liebe, die<lb/> Romeo- und Julieliebe, für die man in den Tod geht,<lb/> wie zu einem heitern Feſt, iſt auch nur ein Rauſch!<lb/> Schlafen iſt beſſer, als wachen, ſagt die Weisheit der<lb/> Inder; das Beſte von allen aber iſt der Tod.“</p><lb/> <p>„Und doch tödten ſich im Verhältniß ſo wenig<lb/> Menſchen“ — warf Oswald ein.</p><lb/> <p>„Ja, das iſt merkwürdig genug,“ ſagte der Baron,<lb/> „beſonders heut' zu Tage, wo die Meiſten ſich ſelbſt<lb/> vor den Hamlet-Träumen, die uns in jenem ewigen<lb/> Schlafe kommen möchten, nicht mehr fürchten.“</p><lb/> <p>„Sollte dies nicht ein Beweis dafür ſein, daß es<lb/> mit dem vielgeklagten Unglück dieſer Leute ſo ſehr<lb/> arg nicht ſein kann?“</p><lb/> <p>„Vielleicht, vielleicht beweiſt es aber auch nur, wie<lb/> ſchwer es dem Menſchen wird, die letzte Hoffnung<lb/> ſchwinden zu laſſen. Warum ſchleppt ſich der verirrte<lb/> Wandrer mechaniſch weiter durch den tiefen Schnee,<lb/> warum ſpäht der arme Schiffbrüchige auf Salas y<lb/> Gomez ein halbes Jahrhundert über die öde Waſſer¬<lb/> wüſte nach dem rettenden Segel? warum zerſchellt<lb/> ſich der auf Lebenszeit Eingekerkerte nicht den Kopf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [116/0126]
andern Wortes mit glücklich bezeichnen, und das wir
ihn um ſo glücklicher nennen müſſen, je tiefer dieſe
Vergeſſenheit iſt. The best of life is but intoxi¬
cation, ſagt Lord Byron; ja wohl! die Liebe, die
Romeo- und Julieliebe, für die man in den Tod geht,
wie zu einem heitern Feſt, iſt auch nur ein Rauſch!
Schlafen iſt beſſer, als wachen, ſagt die Weisheit der
Inder; das Beſte von allen aber iſt der Tod.“
„Und doch tödten ſich im Verhältniß ſo wenig
Menſchen“ — warf Oswald ein.
„Ja, das iſt merkwürdig genug,“ ſagte der Baron,
„beſonders heut' zu Tage, wo die Meiſten ſich ſelbſt
vor den Hamlet-Träumen, die uns in jenem ewigen
Schlafe kommen möchten, nicht mehr fürchten.“
„Sollte dies nicht ein Beweis dafür ſein, daß es
mit dem vielgeklagten Unglück dieſer Leute ſo ſehr
arg nicht ſein kann?“
„Vielleicht, vielleicht beweiſt es aber auch nur, wie
ſchwer es dem Menſchen wird, die letzte Hoffnung
ſchwinden zu laſſen. Warum ſchleppt ſich der verirrte
Wandrer mechaniſch weiter durch den tiefen Schnee,
warum ſpäht der arme Schiffbrüchige auf Salas y
Gomez ein halbes Jahrhundert über die öde Waſſer¬
wüſte nach dem rettenden Segel? warum zerſchellt
ſich der auf Lebenszeit Eingekerkerte nicht den Kopf
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