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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Krug ohne Dank zurück; denn es schwamm eine Fliege
in dem Wasser, oder das Gefäß, und wäre es von
Asbest, war nicht reinlich, und so oder so -- Er¬
quickung hatte er sich nicht getrunken. Erquickung!
Wo ist das Auge, in das wir einmal geschaut haben,
um nie wieder in ein anderes, glänzenderes, feurige¬
res schauen zu wollen; wo ist der Busen, an dem
wir einmal ruhten, um nie wieder das Pochen eines
anderen, wärmeren, liebedurchglütheren Herzen hören
zu wollen? wo? ich frage Sie wo?"

Der Baron schwieg: Oswald fühlte sich auf die
seltsamste Weise bewegt. Was der sonderbare Mann
an seiner Seite in einem fast elegischen Tone, der
auffallend mit seiner sonstigen herben, rauhen Sprach¬
weise constratirte, wie träumend, wie mit sich selbst
redend, sprach, das waren so ganz seine eigenen Ge¬
danken, die er oft und oft, als Knabe schon, und
immer wieder im Leben gehabt, daß ihm fast ein
Grauen ankam vor dieser geistigen Doppelgängerei.
Er fand keine Antwort auf eine Frage, die er selbst
aufgeworfen zu haben schien.

"Es hat mir immer viel zu denken gegeben", hub
der Baron wieder an, "daß der Mensch sich selbst, seine
Existenz erst mehr oder weniger vergessen muß, bevor
er in den Zustand kommt, den wir in Ermangelung

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Krug ohne Dank zurück; denn es ſchwamm eine Fliege
in dem Waſſer, oder das Gefäß, und wäre es von
Asbeſt, war nicht reinlich, und ſo oder ſo — Er¬
quickung hatte er ſich nicht getrunken. Erquickung!
Wo iſt das Auge, in das wir einmal geſchaut haben,
um nie wieder in ein anderes, glänzenderes, feurige¬
res ſchauen zu wollen; wo iſt der Buſen, an dem
wir einmal ruhten, um nie wieder das Pochen eines
anderen, wärmeren, liebedurchglütheren Herzen hören
zu wollen? wo? ich frage Sie wo?“

Der Baron ſchwieg: Oswald fühlte ſich auf die
ſeltſamſte Weiſe bewegt. Was der ſonderbare Mann
an ſeiner Seite in einem faſt elegiſchen Tone, der
auffallend mit ſeiner ſonſtigen herben, rauhen Sprach¬
weiſe conſtratirte, wie träumend, wie mit ſich ſelbſt
redend, ſprach, das waren ſo ganz ſeine eigenen Ge¬
danken, die er oft und oft, als Knabe ſchon, und
immer wieder im Leben gehabt, daß ihm faſt ein
Grauen ankam vor dieſer geiſtigen Doppelgängerei.
Er fand keine Antwort auf eine Frage, die er ſelbſt
aufgeworfen zu haben ſchien.

„Es hat mir immer viel zu denken gegeben“, hub
der Baron wieder an, „daß der Menſch ſich ſelbſt, ſeine
Exiſtenz erſt mehr oder weniger vergeſſen muß, bevor
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[115/0125] Krug ohne Dank zurück; denn es ſchwamm eine Fliege in dem Waſſer, oder das Gefäß, und wäre es von Asbeſt, war nicht reinlich, und ſo oder ſo — Er¬ quickung hatte er ſich nicht getrunken. Erquickung! Wo iſt das Auge, in das wir einmal geſchaut haben, um nie wieder in ein anderes, glänzenderes, feurige¬ res ſchauen zu wollen; wo iſt der Buſen, an dem wir einmal ruhten, um nie wieder das Pochen eines anderen, wärmeren, liebedurchglütheren Herzen hören zu wollen? wo? ich frage Sie wo?“ Der Baron ſchwieg: Oswald fühlte ſich auf die ſeltſamſte Weiſe bewegt. Was der ſonderbare Mann an ſeiner Seite in einem faſt elegiſchen Tone, der auffallend mit ſeiner ſonſtigen herben, rauhen Sprach¬ weiſe conſtratirte, wie träumend, wie mit ſich ſelbſt redend, ſprach, das waren ſo ganz ſeine eigenen Ge¬ danken, die er oft und oft, als Knabe ſchon, und immer wieder im Leben gehabt, daß ihm faſt ein Grauen ankam vor dieſer geiſtigen Doppelgängerei. Er fand keine Antwort auf eine Frage, die er ſelbſt aufgeworfen zu haben ſchien. „Es hat mir immer viel zu denken gegeben“, hub der Baron wieder an, „daß der Menſch ſich ſelbſt, ſeine Exiſtenz erſt mehr oder weniger vergeſſen muß, bevor er in den Zuſtand kommt, den wir in Ermangelung 8*

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/125>, abgerufen am 24.11.2024.