der Blume, nach der Heinrich von Ofterdingen's armes Herz verschmachtete? Die blaue Blume! Wissen Sie, was das ist? Das ist die Blume, die noch keines Sterblichen Auge erschaute, und deren Duft doch die ganze Welt erfüllt. Nicht alle Creatur ist fein genug organisirt, diesen Duft zu empfinden; aber die Nachtigall ist von ihm berauscht, wenn sie beim Mondenschein oder in der Dämmerung des Morgens singt und klagt und schluchzt, und all die närrischen Menschen waren es und sind es, die früher und jetzt in Prosa und Versen dem Himmel ihr Weh und Ach klagten und klagen, und noch Millionen dazu, denen kein Gott gab, zu sagen, was sie leiden, und die in ihrer stummen Qual zum Himmel blicken, der kein Erbarmen mit ihnen hat. Ach, und aus dieser Krank¬ heit ist keine Rettung -- keine, als der Tod. Wer nun einmal den Duft der blauen Blume eingesogen, für den kommt keine ruhige Stunde mehr in diesem Leben. Als wäre er ein verruchter Mörder, als hätte er den Herrn von seiner Schwelle gestoßen, so treibt es ihn weiter und immer weiter, wie sehr ihn auch seine wunden Füße schmerzen und es ihn verlangt, das müde Haupt endlich einmal zur Ruhe zu legen. Wol bittet er, von Durst gequält, in dieser oder jener Hütte um einen Labetrunk, aber er giebt den leeren
der Blume, nach der Heinrich von Ofterdingen's armes Herz verſchmachtete? Die blaue Blume! Wiſſen Sie, was das iſt? Das iſt die Blume, die noch keines Sterblichen Auge erſchaute, und deren Duft doch die ganze Welt erfüllt. Nicht alle Creatur iſt fein genug organiſirt, dieſen Duft zu empfinden; aber die Nachtigall iſt von ihm berauſcht, wenn ſie beim Mondenſchein oder in der Dämmerung des Morgens ſingt und klagt und ſchluchzt, und all die närriſchen Menſchen waren es und ſind es, die früher und jetzt in Proſa und Verſen dem Himmel ihr Weh und Ach klagten und klagen, und noch Millionen dazu, denen kein Gott gab, zu ſagen, was ſie leiden, und die in ihrer ſtummen Qual zum Himmel blicken, der kein Erbarmen mit ihnen hat. Ach, und aus dieſer Krank¬ heit iſt keine Rettung — keine, als der Tod. Wer nun einmal den Duft der blauen Blume eingeſogen, für den kommt keine ruhige Stunde mehr in dieſem Leben. Als wäre er ein verruchter Mörder, als hätte er den Herrn von ſeiner Schwelle geſtoßen, ſo treibt es ihn weiter und immer weiter, wie ſehr ihn auch ſeine wunden Füße ſchmerzen und es ihn verlangt, das müde Haupt endlich einmal zur Ruhe zu legen. Wol bittet er, von Durſt gequält, in dieſer oder jener Hütte um einen Labetrunk, aber er giebt den leeren
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der Blume, nach der Heinrich von Ofterdingen's
armes Herz verſchmachtete? Die blaue Blume! Wiſſen
Sie, was das iſt? Das iſt die Blume, die noch
keines Sterblichen Auge erſchaute, und deren Duft
doch die ganze Welt erfüllt. Nicht alle Creatur iſt
fein genug organiſirt, dieſen Duft zu empfinden; aber
die Nachtigall iſt von ihm berauſcht, wenn ſie beim
Mondenſchein oder in der Dämmerung des Morgens
ſingt und klagt und ſchluchzt, und all die närriſchen
Menſchen waren es und ſind es, die früher und jetzt
in Proſa und Verſen dem Himmel ihr Weh und Ach
klagten und klagen, und noch Millionen dazu, denen
kein Gott gab, zu ſagen, was ſie leiden, und die in
ihrer ſtummen Qual zum Himmel blicken, der kein
Erbarmen mit ihnen hat. Ach, und aus dieſer Krank¬
heit iſt keine Rettung — keine, als der Tod. Wer
nun einmal den Duft der blauen Blume eingeſogen,
für den kommt keine ruhige Stunde mehr in dieſem
Leben. Als wäre er ein verruchter Mörder, als hätte
er den Herrn von ſeiner Schwelle geſtoßen, ſo treibt
es ihn weiter und immer weiter, wie ſehr ihn auch
ſeine wunden Füße ſchmerzen und es ihn verlangt,
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Wol bittet er, von Durſt gequält, in dieſer oder jener
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/124>, abgerufen am 21.11.2024.
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