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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Ein unsägliches wehmüthiges Lächeln umspielte des
Barons Lippen, während Oswald diese Worte sprach.

"Sie lösen so doch das Räthsel nicht," sagte er
leise und traurig, "denn eben die Bedingung, daß wir
von ganzem Herzen lieben müssen, wollen wir die
Qual los werden, die uns das Leben zur Hölle macht,
können wir ja nicht erfüllen. Wer von uns kann denn
noch mit ganzen Herzen lieben? Wir Alle sind so ab¬
gehetzt und müde, daß wir weder die Kraft noch den
Muth haben, die zu einer wahren, ernsten Liebe gehören,
zu jener Liebe, die nicht ruht und rastet, bis sie jeden
Gedanken unsers Geistes, jedes Gefühl unsers Herzens,
jeden Blutstropfen unserer Adern sich zu eigen gemacht
hat. Wenn Sie noch jung und gut und gläubig genug
zu einer solchen Liebe sind -- wohl Ihnen! Von mir
kann ich nur wiederholen, was ich vorhin schon sagte:
ich habe es aufgegeben, die blaue Blume zu finden,
die wunderholde Blume, die nur dem Glücklichen blüht,
der noch mit ganzem Herzen lieben kann. -- Doch
hier sind wir vor dem Thore von Grenwitz, und wir
müssen ein Gespräch abbrechen, daß ich in allernächster
Zeit mit Ihnen forsetzen zu können hoffe und wünsche.
Leben Sie wohl, und erkundigen Sie sich recht bald
persönlich nach dem Befinden des kleinen Wesens, das
ja Ihr Schützling fast noch mehr ist, wie der meine."

9*

Ein unſägliches wehmüthiges Lächeln umſpielte des
Barons Lippen, während Oswald dieſe Worte ſprach.

„Sie löſen ſo doch das Räthſel nicht,“ ſagte er
leiſe und traurig, „denn eben die Bedingung, daß wir
von ganzem Herzen lieben müſſen, wollen wir die
Qual los werden, die uns das Leben zur Hölle macht,
können wir ja nicht erfüllen. Wer von uns kann denn
noch mit ganzen Herzen lieben? Wir Alle ſind ſo ab¬
gehetzt und müde, daß wir weder die Kraft noch den
Muth haben, die zu einer wahren, ernſten Liebe gehören,
zu jener Liebe, die nicht ruht und raſtet, bis ſie jeden
Gedanken unſers Geiſtes, jedes Gefühl unſers Herzens,
jeden Blutstropfen unſerer Adern ſich zu eigen gemacht
hat. Wenn Sie noch jung und gut und gläubig genug
zu einer ſolchen Liebe ſind — wohl Ihnen! Von mir
kann ich nur wiederholen, was ich vorhin ſchon ſagte:
ich habe es aufgegeben, die blaue Blume zu finden,
die wunderholde Blume, die nur dem Glücklichen blüht,
der noch mit ganzem Herzen lieben kann. — Doch
hier ſind wir vor dem Thore von Grenwitz, und wir
müſſen ein Geſpräch abbrechen, daß ich in allernächſter
Zeit mit Ihnen forſetzen zu können hoffe und wünſche.
Leben Sie wohl, und erkundigen Sie ſich recht bald
perſönlich nach dem Befinden des kleinen Weſens, das
ja Ihr Schützling faſt noch mehr iſt, wie der meine.“

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[131/0141] Ein unſägliches wehmüthiges Lächeln umſpielte des Barons Lippen, während Oswald dieſe Worte ſprach. „Sie löſen ſo doch das Räthſel nicht,“ ſagte er leiſe und traurig, „denn eben die Bedingung, daß wir von ganzem Herzen lieben müſſen, wollen wir die Qual los werden, die uns das Leben zur Hölle macht, können wir ja nicht erfüllen. Wer von uns kann denn noch mit ganzen Herzen lieben? Wir Alle ſind ſo ab¬ gehetzt und müde, daß wir weder die Kraft noch den Muth haben, die zu einer wahren, ernſten Liebe gehören, zu jener Liebe, die nicht ruht und raſtet, bis ſie jeden Gedanken unſers Geiſtes, jedes Gefühl unſers Herzens, jeden Blutstropfen unſerer Adern ſich zu eigen gemacht hat. Wenn Sie noch jung und gut und gläubig genug zu einer ſolchen Liebe ſind — wohl Ihnen! Von mir kann ich nur wiederholen, was ich vorhin ſchon ſagte: ich habe es aufgegeben, die blaue Blume zu finden, die wunderholde Blume, die nur dem Glücklichen blüht, der noch mit ganzem Herzen lieben kann. — Doch hier ſind wir vor dem Thore von Grenwitz, und wir müſſen ein Geſpräch abbrechen, daß ich in allernächſter Zeit mit Ihnen forſetzen zu können hoffe und wünſche. Leben Sie wohl, und erkundigen Sie ſich recht bald perſönlich nach dem Befinden des kleinen Weſens, das ja Ihr Schützling faſt noch mehr iſt, wie der meine.“ 9*

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/141>, abgerufen am 21.11.2024.