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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Baronin, "und wenn ich es doch thue, so ist es, weil
ich Sie als einen langjährigen Freund unsers Hauses
kenne, und zu Ihrer Discretion --"

"Meine Pflicht und Schuldigkeit, Gnädigste," rief
der Pastor, die Hand auf's Herz legend und den
Rücken krümmend.

"Sie kennen den Baron Oldenburg," fuhr die
Baronin fort.

"Nicht persönlich, Gnädigste, nur nach dem, was
ich in vertraulichen Unterredungen der gnädigen Herr¬
schaften, denen ich beiwohnen zu dürfen gewürdigt
wurde, über den Herrn Baron zu hören nicht umhin
konnte."

"Sie wissen also, in welchem Ruf -- Gott sei es
geklagt -- der Baron steht; Sie wissen, daß wir den
Kummer haben, sehen zu müssen, wie der letzte Sproß
aus einer unsrer ältesten, berühmtesten Familien mit
sehenden Augen -- denn der Baron ist ein außer¬
ordentlich begabter Mann -- in's Verderben rennt."

"Aber, liebe Anna-Maria," sagte der Baron, der
unruhig in seinem Stuhle hin- und herrückte, "ich
dächte, der Gegenstand dieses Gespräches eignete sich
nicht besonders -- "

"Ich kenne die Rücksichten, die ich unserm Stande
schuldig bin," sagte die Baronin, "und werde sie zu

Baronin, „und wenn ich es doch thue, ſo iſt es, weil
ich Sie als einen langjährigen Freund unſers Hauſes
kenne, und zu Ihrer Discretion —“

„Meine Pflicht und Schuldigkeit, Gnädigſte,“ rief
der Paſtor, die Hand auf's Herz legend und den
Rücken krümmend.

„Sie kennen den Baron Oldenburg,“ fuhr die
Baronin fort.

„Nicht perſönlich, Gnädigſte, nur nach dem, was
ich in vertraulichen Unterredungen der gnädigen Herr¬
ſchaften, denen ich beiwohnen zu dürfen gewürdigt
wurde, über den Herrn Baron zu hören nicht umhin
konnte.“

„Sie wiſſen alſo, in welchem Ruf — Gott ſei es
geklagt — der Baron ſteht; Sie wiſſen, daß wir den
Kummer haben, ſehen zu müſſen, wie der letzte Sproß
aus einer unſrer älteſten, berühmteſten Familien mit
ſehenden Augen — denn der Baron iſt ein außer¬
ordentlich begabter Mann — in's Verderben rennt.“

„Aber, liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron, der
unruhig in ſeinem Stuhle hin- und herrückte, „ich
dächte, der Gegenſtand dieſes Geſpräches eignete ſich
nicht beſonders — “

„Ich kenne die Rückſichten, die ich unſerm Stande
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[151/0161] Baronin, „und wenn ich es doch thue, ſo iſt es, weil ich Sie als einen langjährigen Freund unſers Hauſes kenne, und zu Ihrer Discretion —“ „Meine Pflicht und Schuldigkeit, Gnädigſte,“ rief der Paſtor, die Hand auf's Herz legend und den Rücken krümmend. „Sie kennen den Baron Oldenburg,“ fuhr die Baronin fort. „Nicht perſönlich, Gnädigſte, nur nach dem, was ich in vertraulichen Unterredungen der gnädigen Herr¬ ſchaften, denen ich beiwohnen zu dürfen gewürdigt wurde, über den Herrn Baron zu hören nicht umhin konnte.“ „Sie wiſſen alſo, in welchem Ruf — Gott ſei es geklagt — der Baron ſteht; Sie wiſſen, daß wir den Kummer haben, ſehen zu müſſen, wie der letzte Sproß aus einer unſrer älteſten, berühmteſten Familien mit ſehenden Augen — denn der Baron iſt ein außer¬ ordentlich begabter Mann — in's Verderben rennt.“ „Aber, liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron, der unruhig in ſeinem Stuhle hin- und herrückte, „ich dächte, der Gegenſtand dieſes Geſpräches eignete ſich nicht beſonders — “ „Ich kenne die Rückſichten, die ich unſerm Stande ſchuldig bin,“ ſagte die Baronin, „und werde ſie zu

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/161>, abgerufen am 21.11.2024.