beobachten wissen. Der Abfall des Barons von dem Glauben seiner Väter ist leider zu notorisch, als daß ich einem Freunde des Adels (der Pastor krümmte den Rücken), einem Freunde unsers Hauses (Sr. Ehr¬ würden legte die Hand auf's Herz) gegenüber mit dem schmerzlichen Geständniß der Wahrheit zurückhalten sollte. -- Sie wissen, Pastor Jäger, daß der Baron unsre Gesellschaft flieht, um die von allerlei sonder¬ baren Menschen, denen man sonst geflissentlich aus¬ weicht, mit Vorliebe aufzusuchen, daß er die gottlose Phrase von den sogenannten Rittern vom Geist be¬ ständig im Munde führt, und daß von ihm ausge¬ zeichnet zu werden -- namentlich, wenn diese Aus¬ zeichnung Jemanden trifft, dessen gesellschaftliche Stel¬ lung so himmelweit von der seinigen verschieden ist -- beinahe so viel heißt, als ein verlorener Mensch sein. Nun hat der Baron gestern Abend Herrn Stein in einer ganz auffallenden, um nicht zu sagen, anstößigen Weise ausgezeichnet; er hat nicht nur sein Möglichstes gethan, ihn bei der Gesellschaft zu introduciren, son¬ dern ihn vollkommen wie seines, wie unsers Gleichen behandelt, und um diesem Benehmen, für das ich keinen Ausdruck suchen will, die Krone aufzusetzen, ihn, als der Wagen von Grenwitz, der Herrn Stein von Barnewitz abholen sollte -- wir waren schon vor
beobachten wiſſen. Der Abfall des Barons von dem Glauben ſeiner Väter iſt leider zu notoriſch, als daß ich einem Freunde des Adels (der Paſtor krümmte den Rücken), einem Freunde unſers Hauſes (Sr. Ehr¬ würden legte die Hand auf's Herz) gegenüber mit dem ſchmerzlichen Geſtändniß der Wahrheit zurückhalten ſollte. — Sie wiſſen, Paſtor Jäger, daß der Baron unſre Geſellſchaft flieht, um die von allerlei ſonder¬ baren Menſchen, denen man ſonſt gefliſſentlich aus¬ weicht, mit Vorliebe aufzuſuchen, daß er die gottloſe Phraſe von den ſogenannten Rittern vom Geiſt be¬ ſtändig im Munde führt, und daß von ihm ausge¬ zeichnet zu werden — namentlich, wenn dieſe Aus¬ zeichnung Jemanden trifft, deſſen geſellſchaftliche Stel¬ lung ſo himmelweit von der ſeinigen verſchieden iſt — beinahe ſo viel heißt, als ein verlorener Menſch ſein. Nun hat der Baron geſtern Abend Herrn Stein in einer ganz auffallenden, um nicht zu ſagen, anſtößigen Weiſe ausgezeichnet; er hat nicht nur ſein Möglichſtes gethan, ihn bei der Geſellſchaft zu introduciren, ſon¬ dern ihn vollkommen wie ſeines, wie unſers Gleichen behandelt, und um dieſem Benehmen, für das ich keinen Ausdruck ſuchen will, die Krone aufzuſetzen, ihn, als der Wagen von Grenwitz, der Herrn Stein von Barnewitz abholen ſollte — wir waren ſchon vor
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beobachten wiſſen. Der Abfall des Barons von dem
Glauben ſeiner Väter iſt leider zu notoriſch, als daß
ich einem Freunde des Adels (der Paſtor krümmte den
Rücken), einem Freunde unſers Hauſes (Sr. Ehr¬
würden legte die Hand auf's Herz) gegenüber mit dem
ſchmerzlichen Geſtändniß der Wahrheit zurückhalten
ſollte. — Sie wiſſen, Paſtor Jäger, daß der Baron
unſre Geſellſchaft flieht, um die von allerlei ſonder¬
baren Menſchen, denen man ſonſt gefliſſentlich aus¬
weicht, mit Vorliebe aufzuſuchen, daß er die gottloſe
Phraſe von den ſogenannten Rittern vom Geiſt be¬
ſtändig im Munde führt, und daß von ihm ausge¬
zeichnet zu werden — namentlich, wenn dieſe Aus¬
zeichnung Jemanden trifft, deſſen geſellſchaftliche Stel¬
lung ſo himmelweit von der ſeinigen verſchieden iſt —
beinahe ſo viel heißt, als ein verlorener Menſch ſein.
Nun hat der Baron geſtern Abend Herrn Stein in
einer ganz auffallenden, um nicht zu ſagen, anſtößigen
Weiſe ausgezeichnet; er hat nicht nur ſein Möglichſtes
gethan, ihn bei der Geſellſchaft zu introduciren, ſon¬
dern ihn vollkommen wie ſeines, wie unſers Gleichen
behandelt, und um dieſem Benehmen, für das ich
keinen Ausdruck ſuchen will, die Krone aufzuſetzen,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/162>, abgerufen am 24.11.2024.
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