dem Souper aufgebrochen -- nicht gleich zur Stelle war, in seinem eigenen Wagen bis vor unser Hofthor mitgenommen, das heißt, ihm zu Gefallen einen Um¬ weg von fast einer Meile gemacht."
"Aber, liebe Anna-Maria, das würde auch jeder Andre --"
"Verzeihe, lieber Grenwitz, das würde nicht jeder Andre gethan haben, und vor Allem würde es der Baron, dessen schroffes, ungefälliges Wesen, selbst den Standesgenossen gegenüber, sprichwörtlich ist, nicht gethan haben, wenn er nicht in Herrn Stein auch so einen Ritter vom Geist, das heißt einen Gesinnungs¬ genossen, einen Freidenker und Freiheitshelden, enfin einen unmoralischen Menschen, um das Wort zu wieder¬ holen, das vorhin Deinen Unwillen erregte, lieber Grenwitz, und von dem Du mir jetzt zugeben wirst, daß es leider das passende ist -- gefunden zu haben glaubte."
Die Baronin schwieg, in dem wohlthuenden Be¬ wußtsein, ihre Ansicht siegreich verfochten zu haben; der Pastor schwieg, die edle Gönnerin in diesem Ge¬ nusse nicht zu stören und der Baron schwieg, weil er schlechterdings nichts zu sagen wußte. In dieses drei¬ fache Schweigen hinein ertönte vom Hausflur her, auf welchen die Thür des Zimmers führte, das Miauen
dem Souper aufgebrochen — nicht gleich zur Stelle war, in ſeinem eigenen Wagen bis vor unſer Hofthor mitgenommen, das heißt, ihm zu Gefallen einen Um¬ weg von faſt einer Meile gemacht.“
„Aber, liebe Anna-Maria, das würde auch jeder Andre —“
„Verzeihe, lieber Grenwitz, das würde nicht jeder Andre gethan haben, und vor Allem würde es der Baron, deſſen ſchroffes, ungefälliges Weſen, ſelbſt den Standesgenoſſen gegenüber, ſprichwörtlich iſt, nicht gethan haben, wenn er nicht in Herrn Stein auch ſo einen Ritter vom Geiſt, das heißt einen Geſinnungs¬ genoſſen, einen Freidenker und Freiheitshelden, enfin einen unmoraliſchen Menſchen, um das Wort zu wieder¬ holen, das vorhin Deinen Unwillen erregte, lieber Grenwitz, und von dem Du mir jetzt zugeben wirſt, daß es leider das paſſende iſt — gefunden zu haben glaubte.“
Die Baronin ſchwieg, in dem wohlthuenden Be¬ wußtſein, ihre Anſicht ſiegreich verfochten zu haben; der Paſtor ſchwieg, die edle Gönnerin in dieſem Ge¬ nuſſe nicht zu ſtören und der Baron ſchwieg, weil er ſchlechterdings nichts zu ſagen wußte. In dieſes drei¬ fache Schweigen hinein ertönte vom Hausflur her, auf welchen die Thür des Zimmers führte, das Miauen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0163"n="153"/>
dem Souper aufgebrochen — nicht gleich zur Stelle<lb/>
war, in ſeinem eigenen Wagen bis vor unſer Hofthor<lb/>
mitgenommen, das heißt, ihm zu Gefallen einen Um¬<lb/>
weg von faſt einer Meile gemacht.“</p><lb/><p>„Aber, liebe Anna-Maria, das würde auch jeder<lb/>
Andre —“</p><lb/><p>„Verzeihe, lieber Grenwitz, das würde nicht jeder<lb/>
Andre gethan haben, und vor Allem würde es der<lb/>
Baron, deſſen ſchroffes, ungefälliges Weſen, ſelbſt den<lb/>
Standesgenoſſen gegenüber, ſprichwörtlich iſt, nicht<lb/>
gethan haben, wenn er nicht in Herrn Stein auch ſo<lb/>
einen Ritter vom Geiſt, das heißt einen Geſinnungs¬<lb/>
genoſſen, einen Freidenker und Freiheitshelden, <hirendition="#aq">enfin</hi><lb/>
einen unmoraliſchen Menſchen, um das Wort zu wieder¬<lb/>
holen, das vorhin Deinen Unwillen erregte, lieber<lb/>
Grenwitz, und von dem Du mir jetzt zugeben wirſt,<lb/>
daß es leider das paſſende iſt — gefunden zu haben<lb/>
glaubte.“</p><lb/><p>Die Baronin ſchwieg, in dem wohlthuenden Be¬<lb/>
wußtſein, ihre Anſicht ſiegreich verfochten zu haben;<lb/>
der Paſtor ſchwieg, die edle Gönnerin in dieſem Ge¬<lb/>
nuſſe nicht zu ſtören und der Baron ſchwieg, weil er<lb/>ſchlechterdings nichts zu ſagen wußte. In dieſes drei¬<lb/>
fache Schweigen hinein ertönte vom Hausflur her,<lb/>
auf welchen die Thür des Zimmers führte, das Miauen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[153/0163]
dem Souper aufgebrochen — nicht gleich zur Stelle
war, in ſeinem eigenen Wagen bis vor unſer Hofthor
mitgenommen, das heißt, ihm zu Gefallen einen Um¬
weg von faſt einer Meile gemacht.“
„Aber, liebe Anna-Maria, das würde auch jeder
Andre —“
„Verzeihe, lieber Grenwitz, das würde nicht jeder
Andre gethan haben, und vor Allem würde es der
Baron, deſſen ſchroffes, ungefälliges Weſen, ſelbſt den
Standesgenoſſen gegenüber, ſprichwörtlich iſt, nicht
gethan haben, wenn er nicht in Herrn Stein auch ſo
einen Ritter vom Geiſt, das heißt einen Geſinnungs¬
genoſſen, einen Freidenker und Freiheitshelden, enfin
einen unmoraliſchen Menſchen, um das Wort zu wieder¬
holen, das vorhin Deinen Unwillen erregte, lieber
Grenwitz, und von dem Du mir jetzt zugeben wirſt,
daß es leider das paſſende iſt — gefunden zu haben
glaubte.“
Die Baronin ſchwieg, in dem wohlthuenden Be¬
wußtſein, ihre Anſicht ſiegreich verfochten zu haben;
der Paſtor ſchwieg, die edle Gönnerin in dieſem Ge¬
nuſſe nicht zu ſtören und der Baron ſchwieg, weil er
ſchlechterdings nichts zu ſagen wußte. In dieſes drei¬
fache Schweigen hinein ertönte vom Hausflur her,
auf welchen die Thür des Zimmers führte, das Miauen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/163>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.