die Bühne trittst, wird Dir der holde, rosige Schleier der Illusion von den Augen fallen und Du wirst Deinen Irrthum erkennen. Aber wenn auch! Du wirst, wenn Du von Deinem ersten schmerzlichen Er¬ staunen Dich erholt hast, begreifen, daß es nicht an¬ ders sein kann, und Deinen Bruder nicht verachten, weil Du siehst, daß sein stolzer Rittermantel von ver¬ schossener Seide und arg geflickt ist, und seine Sporen eitel Messing -- doch still! da kommen uns Herr Timm und Mademoiselle entgegen. Es scheint Herr Timm will die gute Gelegenheit, seine Aussprache des Französischen zu cultiviren, nicht unbenutzt lassen. Wir wollen ihn in diesem edlen Streben nicht stören. Laß uns in diesen Gang einbiegen."
Herr Timm, der jetzt Arm in Arm mit Made¬ moiselle Marguerite, ohne Oswald und Bruno zu be¬ merken, eifrig sprechend und seine helle Stimme dabei sorgfältig dämpfend, vorüberstrich, hatte in der That "die gute Gelegenheit", obgleich in etwas anderer, als in der von Oswald angedeuteten Weise, zu nutzen verstanden. Auf seine Aussprache des Französischen, wie überhaupt auf alles rein Aeußerliche, legte der junge Mann sehr wenig Gewicht, desto mehr aber auf den soliden Vortheil, den ihm die Gunst der jungen Dame, welche dem innern Hauswesen des Schlosses
die Bühne trittſt, wird Dir der holde, roſige Schleier der Illuſion von den Augen fallen und Du wirſt Deinen Irrthum erkennen. Aber wenn auch! Du wirſt, wenn Du von Deinem erſten ſchmerzlichen Er¬ ſtaunen Dich erholt haſt, begreifen, daß es nicht an¬ ders ſein kann, und Deinen Bruder nicht verachten, weil Du ſiehſt, daß ſein ſtolzer Rittermantel von ver¬ ſchoſſener Seide und arg geflickt iſt, und ſeine Sporen eitel Meſſing — doch ſtill! da kommen uns Herr Timm und Mademoiſelle entgegen. Es ſcheint Herr Timm will die gute Gelegenheit, ſeine Ausſprache des Franzöſiſchen zu cultiviren, nicht unbenutzt laſſen. Wir wollen ihn in dieſem edlen Streben nicht ſtören. Laß uns in dieſen Gang einbiegen.“
Herr Timm, der jetzt Arm in Arm mit Made¬ moiſelle Marguerite, ohne Oswald und Bruno zu be¬ merken, eifrig ſprechend und ſeine helle Stimme dabei ſorgfältig dämpfend, vorüberſtrich, hatte in der That „die gute Gelegenheit“, obgleich in etwas anderer, als in der von Oswald angedeuteten Weiſe, zu nutzen verſtanden. Auf ſeine Ausſprache des Franzöſiſchen, wie überhaupt auf alles rein Aeußerliche, legte der junge Mann ſehr wenig Gewicht, deſto mehr aber auf den ſoliden Vortheil, den ihm die Gunſt der jungen Dame, welche dem innern Hausweſen des Schloſſes
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die Bühne trittſt, wird Dir der holde, roſige Schleier
der Illuſion von den Augen fallen und Du wirſt
Deinen Irrthum erkennen. Aber wenn auch! Du
wirſt, wenn Du von Deinem erſten ſchmerzlichen Er¬
ſtaunen Dich erholt haſt, begreifen, daß es nicht an¬
ders ſein kann, und Deinen Bruder nicht verachten,
weil Du ſiehſt, daß ſein ſtolzer Rittermantel von ver¬
ſchoſſener Seide und arg geflickt iſt, und ſeine Sporen
eitel Meſſing — doch ſtill! da kommen uns Herr
Timm und Mademoiſelle entgegen. Es ſcheint Herr
Timm will die gute Gelegenheit, ſeine Ausſprache
des Franzöſiſchen zu cultiviren, nicht unbenutzt laſſen.
Wir wollen ihn in dieſem edlen Streben nicht ſtören.
Laß uns in dieſen Gang einbiegen.“
Herr Timm, der jetzt Arm in Arm mit Made¬
moiſelle Marguerite, ohne Oswald und Bruno zu be¬
merken, eifrig ſprechend und ſeine helle Stimme dabei
ſorgfältig dämpfend, vorüberſtrich, hatte in der That
„die gute Gelegenheit“, obgleich in etwas anderer,
als in der von Oswald angedeuteten Weiſe, zu nutzen
verſtanden. Auf ſeine Ausſprache des Franzöſiſchen,
wie überhaupt auf alles rein Aeußerliche, legte der
junge Mann ſehr wenig Gewicht, deſto mehr aber
auf den ſoliden Vortheil, den ihm die Gunſt der jungen
Dame, welche dem innern Hausweſen des Schloſſes
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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