Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.und das hübsche braune Mädel darin, für die man "Wie so?" "Nun, die andere Seite des Blattes ist ja von "Es ist nicht des Lesens werth." sagte Oswald, und das hübſche braune Mädel darin, für die man „Wie ſo?“ „Nun, die andere Seite des Blattes iſt ja von „Es iſt nicht des Leſens werth.“ ſagte Oswald, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0198" n="188"/> und das hübſche braune Mädel darin, für die man<lb/> geſtern noch leben und ſterben wollte, bis auf die Er¬<lb/> innerung vergeſſen hatte. — Sind Sie fertig? Na,<lb/> laſſen Sie einmal ſehen. Hm! Sie zeichnen, wie der<lb/> Maler Conti in der Emilia Galotti, nicht, was die<lb/> Natur geſchaffen hat, ſondern was ſie hätte ſchaffen<lb/> ſollen, wenn ſie in dem betreffenden Augenblicke nicht<lb/> unglücklicherweiſe blind geweſen wäre. Sehr hübſch<lb/> in der That, aber das Original iſt mir doch lieber.<lb/> Und Dichter ſind Sie auch, wie ich ſehe.“</p><lb/> <p>„Wie ſo?“</p><lb/> <p>„Nun, die andere Seite des Blattes iſt ja von<lb/> oben bis unten mit Verſen beſchrieben. Und noch<lb/> dazu Sonette, die ich über alles liebe. Ich darf ſie<lb/> doch leſen?“</p><lb/> <p>„Es iſt nicht des Leſens werth.“ ſagte Oswald,<lb/> den Alberts Frage ſichtbar verlegen machte. — Die<lb/> Verſe waren an Melitta, waren in der Erinnerung<lb/> an die erſte köſtliche Zuſammenkunft im Waldhäuschen<lb/> geſchrieben! Er. glaubte das Blatt ſicher in ſeinem<lb/> Pult verwahrt, und bereute bitter ſeine Unvorſichtig¬<lb/> keit, die es jetzt ſeinem übermüthigen und, wie er<lb/> fürchten mußte, keineswegs ſehr discreten Gaſt in die<lb/> Hände geſpielt hatte. Glücklicherweiſe war Melitta's<lb/> Name nicht genannt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [188/0198]
und das hübſche braune Mädel darin, für die man
geſtern noch leben und ſterben wollte, bis auf die Er¬
innerung vergeſſen hatte. — Sind Sie fertig? Na,
laſſen Sie einmal ſehen. Hm! Sie zeichnen, wie der
Maler Conti in der Emilia Galotti, nicht, was die
Natur geſchaffen hat, ſondern was ſie hätte ſchaffen
ſollen, wenn ſie in dem betreffenden Augenblicke nicht
unglücklicherweiſe blind geweſen wäre. Sehr hübſch
in der That, aber das Original iſt mir doch lieber.
Und Dichter ſind Sie auch, wie ich ſehe.“
„Wie ſo?“
„Nun, die andere Seite des Blattes iſt ja von
oben bis unten mit Verſen beſchrieben. Und noch
dazu Sonette, die ich über alles liebe. Ich darf ſie
doch leſen?“
„Es iſt nicht des Leſens werth.“ ſagte Oswald,
den Alberts Frage ſichtbar verlegen machte. — Die
Verſe waren an Melitta, waren in der Erinnerung
an die erſte köſtliche Zuſammenkunft im Waldhäuschen
geſchrieben! Er. glaubte das Blatt ſicher in ſeinem
Pult verwahrt, und bereute bitter ſeine Unvorſichtig¬
keit, die es jetzt ſeinem übermüthigen und, wie er
fürchten mußte, keineswegs ſehr discreten Gaſt in die
Hände geſpielt hatte. Glücklicherweiſe war Melitta's
Name nicht genannt.
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