Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861."Nicht des Lesen werth?" sagte Albert; "das "Sie liebt mich!" Der Anfang ist weniger originell, als wahr. Aber Sie liebt mich! Herz, hör auf so wild zu schlagen! Halt aus, mein Herz! Du darfst nicht auch zerspringen,Weil er zersprang, der letzte von den Ringen, Die Du so lange Jahre hast getragen! Sie liebt mich! wie die Wolken eilend jagen Dort droben auf des Nachtwinds feuchten Schwingen!Die Wälder rauschen und der Quellen klingen, Und Wolken, Wälder, Quellen -- Alle sagen: Sie liebt mich! O, noch schwebt auf meinem Munde Der süße Kuß, den sie mir hat gegebenIn dieser holden, gnadenreichen Stunde; Noch fühl' ich ihre Brust an meiner beben Die stumme, wunderbar beredte KundeVon ihres Herzens tiefgeheimsten Leben. "Wie finden sie das? Ich dächte, ich hätte das „Nicht des Leſen werth?“ ſagte Albert; „das „Sie liebt mich!“ Der Anfang iſt weniger originell, als wahr. Aber Sie liebt mich! Herz, hör auf ſo wild zu ſchlagen! Halt aus, mein Herz! Du darfſt nicht auch zerſpringen,Weil er zerſprang, der letzte von den Ringen, Die Du ſo lange Jahre haſt getragen! Sie liebt mich! wie die Wolken eilend jagen Dort droben auf des Nachtwinds feuchten Schwingen!Die Wälder rauſchen und der Quellen klingen, Und Wolken, Wälder, Quellen — Alle ſagen: Sie liebt mich! O, noch ſchwebt auf meinem Munde Der ſüße Kuß, den ſie mir hat gegebenIn dieſer holden, gnadenreichen Stunde; Noch fühl' ich ihre Bruſt an meiner beben Die ſtumme, wunderbar beredte KundeVon ihres Herzens tiefgeheimſten Leben. „Wie finden ſie das? Ich dächte, ich hätte das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0199" n="189"/> <p>„Nicht des Leſen werth?“ ſagte Albert; „das<lb/> wollen wir gleich einmal ſehen. Dichter haben kein<lb/> objectives Urtheil über ihre Producte. Denken Sie<lb/> einmal, ich hätte die Verſe gemacht und fühlte<lb/> mich gedrungen, ſie Ihnen vorzuleſen. Hören Siezu!“</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#c">„Sie liebt mich!“</l><lb/> </lg> <p>Der Anfang iſt weniger originell, als wahr. Aber<lb/> Sie werden mir zugeben, daß man ein ſo uraltes<lb/> Thema nicht immer wieder neu behandeln kann. Alſo:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#et">Sie liebt mich! Herz, hör auf ſo wild zu ſchlagen!</l><lb/> <l>Halt aus, mein Herz! Du darfſt nicht auch zerſpringen,</l><lb/> <l>Weil er zerſprang, der letzte von den Ringen,</l><lb/> <l>Die Du ſo lange Jahre haſt getragen!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l rendition="#et">Sie liebt mich! wie die Wolken eilend jagen</l><lb/> <l>Dort droben auf des Nachtwinds feuchten Schwingen!</l><lb/> <l>Die Wälder rauſchen und der Quellen klingen,</l><lb/> <l>Und Wolken, Wälder, Quellen — Alle ſagen:</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l rendition="#et">Sie liebt mich! O, noch ſchwebt auf meinem Munde</l><lb/> <l>Der ſüße Kuß, den ſie mir hat gegeben</l><lb/> <l>In dieſer holden, gnadenreichen Stunde;</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l rendition="#et">Noch fühl' ich ihre Bruſt an meiner beben</l><lb/> <l>Die ſtumme, wunderbar beredte Kunde</l><lb/> <l>Von ihres Herzens tiefgeheimſten Leben.</l><lb/> </lg> </lg> <p>„Wie finden ſie das? Ich dächte, ich hätte das<lb/> erſte, ſtürmiſche Entzücken eines Liebenden in dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0199]
„Nicht des Leſen werth?“ ſagte Albert; „das
wollen wir gleich einmal ſehen. Dichter haben kein
objectives Urtheil über ihre Producte. Denken Sie
einmal, ich hätte die Verſe gemacht und fühlte
mich gedrungen, ſie Ihnen vorzuleſen. Hören Siezu!“
„Sie liebt mich!“
Der Anfang iſt weniger originell, als wahr. Aber
Sie werden mir zugeben, daß man ein ſo uraltes
Thema nicht immer wieder neu behandeln kann. Alſo:
Sie liebt mich! Herz, hör auf ſo wild zu ſchlagen!
Halt aus, mein Herz! Du darfſt nicht auch zerſpringen,
Weil er zerſprang, der letzte von den Ringen,
Die Du ſo lange Jahre haſt getragen!
Sie liebt mich! wie die Wolken eilend jagen
Dort droben auf des Nachtwinds feuchten Schwingen!
Die Wälder rauſchen und der Quellen klingen,
Und Wolken, Wälder, Quellen — Alle ſagen:
Sie liebt mich! O, noch ſchwebt auf meinem Munde
Der ſüße Kuß, den ſie mir hat gegeben
In dieſer holden, gnadenreichen Stunde;
Noch fühl' ich ihre Bruſt an meiner beben
Die ſtumme, wunderbar beredte Kunde
Von ihres Herzens tiefgeheimſten Leben.
„Wie finden ſie das? Ich dächte, ich hätte das
erſte, ſtürmiſche Entzücken eines Liebenden in dem
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