Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.Dir nicht den Mund, ängstlich, hastig, als wollte sie Regenwetter! wie der Wind die Tropfen gegen die Hat die schwermüthige Weisheit der Inder Recht? Dir nicht den Mund, ängſtlich, haſtig, als wollte ſie Regenwetter! wie der Wind die Tropfen gegen die Hat die ſchwermüthige Weisheit der Inder Recht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0210" n="200"/> Dir nicht den Mund, ängſtlich, haſtig, als wollte ſie<lb/> Dir das Verbrechen des Meineids erſparen: „o,<lb/> ſchwöre nicht! Ich kann Dir Liebe ſchwören nun und<lb/> Treue auf immerdar, aber Du nicht! nicht! —</p><lb/> <p>Regenwetter! wie der Wind die Tropfen gegen die<lb/> Fenſterſcheiben jagt, daß ſie trüb werden wie ver¬<lb/> weinte Augen! wie ſchwer und tief die Wolken ſchleppen,<lb/> die grauen Trauermäntel, als würden ſie mit dem<lb/> Saum die Wipfel der Pappeln drüben auf dem<lb/> Schloßwalle ſtreifen! Wer doch da draußen läge in<lb/> der ſchwarzen naſſen Erde, überhoben aller Qual des<lb/> Zweifels und der Reue! Wer doch Theil haben könnte<lb/> an dem ewigen Frieden der Natur! wer doch Eines<lb/> ſein könnte mit den Elementen! mit dem Winde über<lb/> die Erde brauſen, mit der Flamme zum Himmel<lb/> lodern, mit dem Waſſer des Stromes im Ocean ver¬<lb/> rinnen könnte!</p><lb/> <p>Hat die ſchwermüthige Weisheit der Inder Recht?<lb/> und iſt das ganze Menſchenleben nur ein ungeheurer<lb/> Irrthum? ſind wir Alle, Alle nur verlorne Söhne,<lb/> die das Haus des guten alten Vaters verließen, um<lb/> uns von Träbern zu nähren? Und iſt es wahr, daß<lb/> wir jeder Zeit zu ihm zurückkehren können? daß wir<lb/> zurückſinken können in den Schooß der lieben Mutter<lb/> Nirwana, der uranfänglichen Nacht, wenn wir es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0210]
Dir nicht den Mund, ängſtlich, haſtig, als wollte ſie
Dir das Verbrechen des Meineids erſparen: „o,
ſchwöre nicht! Ich kann Dir Liebe ſchwören nun und
Treue auf immerdar, aber Du nicht! nicht! —
Regenwetter! wie der Wind die Tropfen gegen die
Fenſterſcheiben jagt, daß ſie trüb werden wie ver¬
weinte Augen! wie ſchwer und tief die Wolken ſchleppen,
die grauen Trauermäntel, als würden ſie mit dem
Saum die Wipfel der Pappeln drüben auf dem
Schloßwalle ſtreifen! Wer doch da draußen läge in
der ſchwarzen naſſen Erde, überhoben aller Qual des
Zweifels und der Reue! Wer doch Theil haben könnte
an dem ewigen Frieden der Natur! wer doch Eines
ſein könnte mit den Elementen! mit dem Winde über
die Erde brauſen, mit der Flamme zum Himmel
lodern, mit dem Waſſer des Stromes im Ocean ver¬
rinnen könnte!
Hat die ſchwermüthige Weisheit der Inder Recht?
und iſt das ganze Menſchenleben nur ein ungeheurer
Irrthum? ſind wir Alle, Alle nur verlorne Söhne,
die das Haus des guten alten Vaters verließen, um
uns von Träbern zu nähren? Und iſt es wahr, daß
wir jeder Zeit zu ihm zurückkehren können? daß wir
zurückſinken können in den Schooß der lieben Mutter
Nirwana, der uranfänglichen Nacht, wenn wir es
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