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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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mit ihm von dieser mysteriösen Angelegenheit unter¬
hielten, auch diesen für denselben so äußerst schmeichel¬
haften Wunsch mitgetheilt?"

"Ich erinnere mich nicht; indessen, wenn ich es
gethan habe, so hat der Alte meine kindliche Regung
wahrscheinlich sehr natürlich gefunden, denn er war
ein sehr aufgeklärter Mann. Einen Vater muß doch
nun einmal jeder Mensch haben, obgleich diese so
äußerst weise Einrichtung der Natur auch manchmal
zum Beispiel, wenn man eben einen dummen Streich
ausgeführt hat, oder auszuführen gedenkt, ziemlich
unbequem ist; und da sehe ich nicht ein, weshalb ich
einem Vater, der mir zwei prachtvolle Güter hinter¬
läßt, nicht einem andern, der mich in die Welt laufen
läßt, wie ein Krokodil sein Junges ins Wasser, das
heißt mit zwei Reihen ausgezeichneter Zähne und nichts
zum Beißen dazu, nicht den Vorzug geben sollte, auch
wenn der Erstere in Betreff gewisser, bei christlichen
Nationen landesüblicher Gebräuche mehr orientalisch¬
muhamedanischen Ansichten huldigte."

"Das ist Geschmackssache," sagte Oswald.

"Gewiß," erwiederte Albert; "obgleich ich über¬
zeugt bin, daß von hundert Menschen, wenn ihnen
die Alternative nicht blos als Problem, sondern in
greifbarer Wirklichkeit gestellt würde, si[c][h] [n]eunund¬

mit ihm von dieſer myſteriöſen Angelegenheit unter¬
hielten, auch dieſen für denſelben ſo äußerſt ſchmeichel¬
haften Wunſch mitgetheilt?“

„Ich erinnere mich nicht; indeſſen, wenn ich es
gethan habe, ſo hat der Alte meine kindliche Regung
wahrſcheinlich ſehr natürlich gefunden, denn er war
ein ſehr aufgeklärter Mann. Einen Vater muß doch
nun einmal jeder Menſch haben, obgleich dieſe ſo
äußerſt weiſe Einrichtung der Natur auch manchmal
zum Beiſpiel, wenn man eben einen dummen Streich
ausgeführt hat, oder auszuführen gedenkt, ziemlich
unbequem iſt; und da ſehe ich nicht ein, weshalb ich
einem Vater, der mir zwei prachtvolle Güter hinter¬
läßt, nicht einem andern, der mich in die Welt laufen
läßt, wie ein Krokodil ſein Junges ins Waſſer, das
heißt mit zwei Reihen ausgezeichneter Zähne und nichts
zum Beißen dazu, nicht den Vorzug geben ſollte, auch
wenn der Erſtere in Betreff gewiſſer, bei chriſtlichen
Nationen landesüblicher Gebräuche mehr orientaliſch¬
muhamedaniſchen Anſichten huldigte.“

„Das iſt Geſchmacksſache,“ ſagte Oswald.

„Gewiß,“ erwiederte Albert; „obgleich ich über¬
zeugt bin, daß von hundert Menſchen, wenn ihnen
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[208/0218] mit ihm von dieſer myſteriöſen Angelegenheit unter¬ hielten, auch dieſen für denſelben ſo äußerſt ſchmeichel¬ haften Wunſch mitgetheilt?“ „Ich erinnere mich nicht; indeſſen, wenn ich es gethan habe, ſo hat der Alte meine kindliche Regung wahrſcheinlich ſehr natürlich gefunden, denn er war ein ſehr aufgeklärter Mann. Einen Vater muß doch nun einmal jeder Menſch haben, obgleich dieſe ſo äußerſt weiſe Einrichtung der Natur auch manchmal zum Beiſpiel, wenn man eben einen dummen Streich ausgeführt hat, oder auszuführen gedenkt, ziemlich unbequem iſt; und da ſehe ich nicht ein, weshalb ich einem Vater, der mir zwei prachtvolle Güter hinter¬ läßt, nicht einem andern, der mich in die Welt laufen läßt, wie ein Krokodil ſein Junges ins Waſſer, das heißt mit zwei Reihen ausgezeichneter Zähne und nichts zum Beißen dazu, nicht den Vorzug geben ſollte, auch wenn der Erſtere in Betreff gewiſſer, bei chriſtlichen Nationen landesüblicher Gebräuche mehr orientaliſch¬ muhamedaniſchen Anſichten huldigte.“ „Das iſt Geſchmacksſache,“ ſagte Oswald. „Gewiß,“ erwiederte Albert; „obgleich ich über¬ zeugt bin, daß von hundert Menſchen, wenn ihnen die Alternative nicht blos als Problem, ſondern in greifbarer Wirklichkeit geſtellt würde, ſich neunund¬

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/218>, abgerufen am 27.11.2024.