Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

"Waren Sie denn während dieser ganzen Zeit
noch auf dem Schlosse?"

"Warum nennst Du mich Sie, Junker? Du hast
es ja sonst nie gethan -- ja wol war ich auf dem
Schlosse. Mein Mann war ja gestorben und die
Jungen und die Dirnen waren gestorben und ich war
ja die einzige, die nach dem Tode der gnädigen rau
Mutter noch ein bischen auf Ordnung sah. Ich war
nicht gern da, das weiß der Himmel, denn im Schlosse
ging es zu wie zu Sodom und Gomorrha. Alle Tage
die saubern Freunde, und oft noch ein halbes Dutzend
dazu und dann gespielt und gezecht bis an den hellen
Morgen."

"Kamen denn nie Damen aufs Schloß?"

"Nein, selbst die frechsten und übermüthigsten
fürchteten sich vor diesen wilden Männern. Und es
waren die Meisten von ihnen auch nicht verheirathet,
wie Herr von Berkow; oder ihre Frauen waren ge¬
storben, wie dem Herrn von Barnewitz seine Frau;
so konnten sie denn ihr böses Leben ganz ungestört
führen. Freilich, an Weibern fehlte es nie auf dem
Schlosse, aber sie blieben niemals lange und es waren
immer nur solche, an denen nichts zu verderben war,
bis auf Eine, bis auf Eine --"

"Und wer war diese Eine?"

15*

„Waren Sie denn während dieſer ganzen Zeit
noch auf dem Schloſſe?“

„Warum nennſt Du mich Sie, Junker? Du haſt
es ja ſonſt nie gethan — ja wol war ich auf dem
Schloſſe. Mein Mann war ja geſtorben und die
Jungen und die Dirnen waren geſtorben und ich war
ja die einzige, die nach dem Tode der gnädigen rau
Mutter noch ein bischen auf Ordnung ſah. Ich war
nicht gern da, das weiß der Himmel, denn im Schloſſe
ging es zu wie zu Sodom und Gomorrha. Alle Tage
die ſaubern Freunde, und oft noch ein halbes Dutzend
dazu und dann geſpielt und gezecht bis an den hellen
Morgen.“

„Kamen denn nie Damen aufs Schloß?“

„Nein, ſelbſt die frechſten und übermüthigſten
fürchteten ſich vor dieſen wilden Männern. Und es
waren die Meiſten von ihnen auch nicht verheirathet,
wie Herr von Berkow; oder ihre Frauen waren ge¬
ſtorben, wie dem Herrn von Barnewitz ſeine Frau;
ſo konnten ſie denn ihr böſes Leben ganz ungeſtört
führen. Freilich, an Weibern fehlte es nie auf dem
Schloſſe, aber ſie blieben niemals lange und es waren
immer nur ſolche, an denen nichts zu verderben war,
bis auf Eine, bis auf Eine —“

„Und wer war dieſe Eine?“

15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0237" n="227"/>
        <p>&#x201E;Waren Sie denn während die&#x017F;er ganzen Zeit<lb/>
noch auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum nenn&#x017F;t Du mich Sie, Junker? Du ha&#x017F;t<lb/>
es ja &#x017F;on&#x017F;t nie gethan &#x2014; ja wol war ich auf dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e. Mein Mann war ja ge&#x017F;torben und die<lb/>
Jungen und die Dirnen waren ge&#x017F;torben und ich war<lb/>
ja die einzige, die nach dem Tode der gnädigen rau<lb/>
Mutter noch ein bischen auf Ordnung &#x017F;ah. Ich war<lb/>
nicht gern da, das weiß der Himmel, denn im Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ging es zu wie zu Sodom und Gomorrha. Alle Tage<lb/>
die &#x017F;aubern Freunde, und oft noch ein halbes Dutzend<lb/>
dazu und dann ge&#x017F;pielt und gezecht bis an den hellen<lb/>
Morgen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kamen denn nie Damen aufs Schloß?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, &#x017F;elb&#x017F;t die frech&#x017F;ten und übermüthig&#x017F;ten<lb/>
fürchteten &#x017F;ich vor die&#x017F;en wilden Männern. Und es<lb/>
waren die Mei&#x017F;ten von ihnen auch nicht verheirathet,<lb/>
wie Herr von Berkow; oder ihre Frauen waren ge¬<lb/>
&#x017F;torben, wie dem Herrn von Barnewitz &#x017F;eine Frau;<lb/>
&#x017F;o konnten &#x017F;ie denn ihr bö&#x017F;es Leben ganz unge&#x017F;tört<lb/>
führen. Freilich, an Weibern fehlte es nie auf dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e, aber &#x017F;ie blieben niemals lange und es waren<lb/>
immer nur &#x017F;olche, an denen nichts zu verderben war,<lb/>
bis auf Eine, bis auf Eine &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wer war die&#x017F;e Eine?&#x201C;<lb/></p>
        <fw place="bottom" type="sig">15*<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0237] „Waren Sie denn während dieſer ganzen Zeit noch auf dem Schloſſe?“ „Warum nennſt Du mich Sie, Junker? Du haſt es ja ſonſt nie gethan — ja wol war ich auf dem Schloſſe. Mein Mann war ja geſtorben und die Jungen und die Dirnen waren geſtorben und ich war ja die einzige, die nach dem Tode der gnädigen rau Mutter noch ein bischen auf Ordnung ſah. Ich war nicht gern da, das weiß der Himmel, denn im Schloſſe ging es zu wie zu Sodom und Gomorrha. Alle Tage die ſaubern Freunde, und oft noch ein halbes Dutzend dazu und dann geſpielt und gezecht bis an den hellen Morgen.“ „Kamen denn nie Damen aufs Schloß?“ „Nein, ſelbſt die frechſten und übermüthigſten fürchteten ſich vor dieſen wilden Männern. Und es waren die Meiſten von ihnen auch nicht verheirathet, wie Herr von Berkow; oder ihre Frauen waren ge¬ ſtorben, wie dem Herrn von Barnewitz ſeine Frau; ſo konnten ſie denn ihr böſes Leben ganz ungeſtört führen. Freilich, an Weibern fehlte es nie auf dem Schloſſe, aber ſie blieben niemals lange und es waren immer nur ſolche, an denen nichts zu verderben war, bis auf Eine, bis auf Eine —“ „Und wer war dieſe Eine?“ 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/237
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/237>, abgerufen am 27.11.2024.