Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.ich habe dem Baron versprochen, gegen Jedermann Seit diesem Tage sah ich Fräulein Marie oft mit 16*
ich habe dem Baron verſprochen, gegen Jedermann Seit dieſem Tage ſah ich Fräulein Marie oft mit 16*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0253" n="243"/> ich habe dem Baron verſprochen, gegen Jedermann<lb/> zu ſchweigen, bis wir uns öffentlich“ — ſie ſchwieg,<lb/> als hätte ſie ſchon zu viel geſagt. „Ich darf nicht<lb/> ſprechen, wiederholte ſie; aber glauben Sie mir, ich<lb/> bin kein ſo ſchlechtes Mädchen, wie Sie denken.“ —<lb/> Damit küßte ſie mich auf die Stirn und eilte von<lb/> mir fort ins Schloß.</p><lb/> <p>Seit dieſem Tage ſah ich Fräulein Marie oft mit<lb/> verweinten Augen; und wohl mochte ſie Urſache zum<lb/> Weinen haben, das arme Kind. Harald that, was<lb/> ich ſchon längſt gefürchtet hatte: er fing ſein altes<lb/> Leben wieder an; freilich nur allmälig. Die Freunde<lb/> kamen noch immer nicht aufs Schloß, aber er ſelbſt<lb/> ritt oft aus, und blieb halbe und manchmal ganze<lb/> Tage lange fort. Wenn er wieder kam, war er oft<lb/> in ſeiner böſen Weinlaune, wo er die Diener mit<lb/> Fußtritten und Stockſchlägen tractirte, und die armen<lb/> unſchuldigen Möbel zerſchlug. Doch war es noch im¬<lb/> mer golden, im Vergleich mit ſonſt, und er war auch<lb/> noch immer zärtlich gegen Fräulein Marie, beſonders<lb/> wenn er ſah, daß ſeine wüthende Heftigkeit ſie bis<lb/> zum Tode erſchreckt hatte. Mit der Tante verkehrte<lb/> er beinahe gar nicht mehr, ſeitdem ſie ſich des Abends,<lb/> wenn Fräulein Marie zu Bette gegangen war, ein<lb/> paar Mal im Salon gezankt hatten, daß wir es<lb/> <fw place="bottom" type="sig">16*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [243/0253]
ich habe dem Baron verſprochen, gegen Jedermann
zu ſchweigen, bis wir uns öffentlich“ — ſie ſchwieg,
als hätte ſie ſchon zu viel geſagt. „Ich darf nicht
ſprechen, wiederholte ſie; aber glauben Sie mir, ich
bin kein ſo ſchlechtes Mädchen, wie Sie denken.“ —
Damit küßte ſie mich auf die Stirn und eilte von
mir fort ins Schloß.
Seit dieſem Tage ſah ich Fräulein Marie oft mit
verweinten Augen; und wohl mochte ſie Urſache zum
Weinen haben, das arme Kind. Harald that, was
ich ſchon längſt gefürchtet hatte: er fing ſein altes
Leben wieder an; freilich nur allmälig. Die Freunde
kamen noch immer nicht aufs Schloß, aber er ſelbſt
ritt oft aus, und blieb halbe und manchmal ganze
Tage lange fort. Wenn er wieder kam, war er oft
in ſeiner böſen Weinlaune, wo er die Diener mit
Fußtritten und Stockſchlägen tractirte, und die armen
unſchuldigen Möbel zerſchlug. Doch war es noch im¬
mer golden, im Vergleich mit ſonſt, und er war auch
noch immer zärtlich gegen Fräulein Marie, beſonders
wenn er ſah, daß ſeine wüthende Heftigkeit ſie bis
zum Tode erſchreckt hatte. Mit der Tante verkehrte
er beinahe gar nicht mehr, ſeitdem ſie ſich des Abends,
wenn Fräulein Marie zu Bette gegangen war, ein
paar Mal im Salon gezankt hatten, daß wir es
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