Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.Fleisch und Blut gegenüberstand -- hier kommt ein Fleiſch und Blut gegenüberſtand — hier kommt ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0115" n="105"/> Fleiſch und Blut gegenüberſtand — hier kommt ein<lb/> Gemal, das Geſpenſt eines Gemals, aus einer ſieben<lb/> Jahre langen Wahnſinnsnacht emporgetaucht und<lb/> winkt ſie zu ſich an ſein Sterbebett — ſie, ſeine Ge¬<lb/> liebte, ſeine Melitta — — Oswald fühlte, daß er<lb/> ſelbſt wahnſinnig werden würde, wollte er dieſen Ge¬<lb/> danken zu Ende denken. Er hatte es ſo ganz und<lb/> gar vergeſſen, daß Melitta jemals vermält geweſen<lb/> war, daß ſie jemals in den Armen eines andern<lb/> Mannes, gleichviel, ob ſie ihn geliebt — und um ſo<lb/> gräßlicher, wenn ſie ihn nicht geliebt — geruht, daß<lb/> ſie jemals die Liebkoſungen eines andern Mannes ent¬<lb/> gegengenommen hatte — — er zerknitterte den Brief<lb/> Melitta's, er hätte laut aufſchreien mögen vor wil¬<lb/> dem Schmerz, er hätte ſein Haupt an den Fels¬<lb/> blöcken zerſchellen mögen . . . Warum dieſes Gift in<lb/> den köſtlichen Trank ſeiner Liebe? warum mußte das<lb/> leuchtende Gewand ſeines Engels in dem Schmutz des<lb/> Lebens ſchleifen? warum mußte die duftige Blüthe<lb/> vom ſchnöden Wurm benagt werden? — und wäre<lb/> ſie denn nur jetzt wenigſtens frei — aber ſie iſt es<lb/> nicht — ſelbſt dann nicht, wenn jenes Geſpenſt aus<lb/> der Nacht des Wahnſinns in die Nacht des Todes<lb/> ſinkt. Sie iſt die Mutter ihres Kindes — ſeines<lb/> Kindes, und dieſe Rückſicht, die ſie jetzt für einen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0115]
Fleiſch und Blut gegenüberſtand — hier kommt ein
Gemal, das Geſpenſt eines Gemals, aus einer ſieben
Jahre langen Wahnſinnsnacht emporgetaucht und
winkt ſie zu ſich an ſein Sterbebett — ſie, ſeine Ge¬
liebte, ſeine Melitta — — Oswald fühlte, daß er
ſelbſt wahnſinnig werden würde, wollte er dieſen Ge¬
danken zu Ende denken. Er hatte es ſo ganz und
gar vergeſſen, daß Melitta jemals vermält geweſen
war, daß ſie jemals in den Armen eines andern
Mannes, gleichviel, ob ſie ihn geliebt — und um ſo
gräßlicher, wenn ſie ihn nicht geliebt — geruht, daß
ſie jemals die Liebkoſungen eines andern Mannes ent¬
gegengenommen hatte — — er zerknitterte den Brief
Melitta's, er hätte laut aufſchreien mögen vor wil¬
dem Schmerz, er hätte ſein Haupt an den Fels¬
blöcken zerſchellen mögen . . . Warum dieſes Gift in
den köſtlichen Trank ſeiner Liebe? warum mußte das
leuchtende Gewand ſeines Engels in dem Schmutz des
Lebens ſchleifen? warum mußte die duftige Blüthe
vom ſchnöden Wurm benagt werden? — und wäre
ſie denn nur jetzt wenigſtens frei — aber ſie iſt es
nicht — ſelbſt dann nicht, wenn jenes Geſpenſt aus
der Nacht des Wahnſinns in die Nacht des Todes
ſinkt. Sie iſt die Mutter ihres Kindes — ſeines
Kindes, und dieſe Rückſicht, die ſie jetzt für einen
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