Augenblick vergessen hat, wird in den Vordergrund treten und mich wird sie aufgeben -- aufgeben müssen. Und wozu soll es auch führen? so lange dies heim¬ liche Verhältniß dauert, das ein tückischer Zufall sei¬ nes Geheimnisses berauben kann, steht ihr guter Ruf auf eines Scheermessers Schneide -- und kann aus diesem Verhältnisse jemals ein anderes werden? kann ich, der Freiheitsschwärmer, jemals daran denken, die Aristokratin zu heirathen? daran denken, mich in die Gesellschaft der verhaßten Menschen zu drängen, die den Parvenü stets über die Achsel ansehen würden? nie! nie! Lieber leben, wie diese armen Fischer, die täglich mit Gefahr des Lebens selbst dem grausamen Meer den kärglichen Unterhalt abringen müssen ...
So irrte Oswald's Geist in einem Labyrinth von schmerzlichen Zweifeln ruhelos umher, wie er selbst zwischen den Uferklippen auf dem öden Strande ruhe¬ los umherirrte, und wer weiß, zu welchem verderb¬ lichen Ausgang dies beständige Brüten über demsel¬ ben qualvollen Räthsel geführt haben würde, wenn nicht ein Ereigniß eingetreten wäre, das ihn sehr gegen seine Vermuthung und seinen Wunsch, zwang, in die Gesellschaft, die er jetzt so gründlich haßte, zu¬ rückzukehren.
Augenblick vergeſſen hat, wird in den Vordergrund treten und mich wird ſie aufgeben — aufgeben müſſen. Und wozu ſoll es auch führen? ſo lange dies heim¬ liche Verhältniß dauert, das ein tückiſcher Zufall ſei¬ nes Geheimniſſes berauben kann, ſteht ihr guter Ruf auf eines Scheermeſſers Schneide — und kann aus dieſem Verhältniſſe jemals ein anderes werden? kann ich, der Freiheitsſchwärmer, jemals daran denken, die Ariſtokratin zu heirathen? daran denken, mich in die Geſellſchaft der verhaßten Menſchen zu drängen, die den Parvenü ſtets über die Achſel anſehen würden? nie! nie! Lieber leben, wie dieſe armen Fiſcher, die täglich mit Gefahr des Lebens ſelbſt dem grauſamen Meer den kärglichen Unterhalt abringen müſſen ...
So irrte Oswald's Geiſt in einem Labyrinth von ſchmerzlichen Zweifeln ruhelos umher, wie er ſelbſt zwiſchen den Uferklippen auf dem öden Strande ruhe¬ los umherirrte, und wer weiß, zu welchem verderb¬ lichen Ausgang dies beſtändige Brüten über demſel¬ ben qualvollen Räthſel geführt haben würde, wenn nicht ein Ereigniß eingetreten wäre, das ihn ſehr gegen ſeine Vermuthung und ſeinen Wunſch, zwang, in die Geſellſchaft, die er jetzt ſo gründlich haßte, zu¬ rückzukehren.
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Augenblick vergeſſen hat, wird in den Vordergrund
treten und mich wird ſie aufgeben — aufgeben müſſen.
Und wozu ſoll es auch führen? ſo lange dies heim¬
liche Verhältniß dauert, das ein tückiſcher Zufall ſei¬
nes Geheimniſſes berauben kann, ſteht ihr guter Ruf
auf eines Scheermeſſers Schneide — und kann aus
dieſem Verhältniſſe jemals ein anderes werden? kann
ich, der Freiheitsſchwärmer, jemals daran denken, die
Ariſtokratin zu heirathen? daran denken, mich in die
Geſellſchaft der verhaßten Menſchen zu drängen, die
den Parvenü ſtets über die Achſel anſehen würden?
nie! nie! Lieber leben, wie dieſe armen Fiſcher,
die täglich mit Gefahr des Lebens ſelbſt dem
grauſamen Meer den kärglichen Unterhalt abringen
müſſen ...
So irrte Oswald's Geiſt in einem Labyrinth von
ſchmerzlichen Zweifeln ruhelos umher, wie er ſelbſt
zwiſchen den Uferklippen auf dem öden Strande ruhe¬
los umherirrte, und wer weiß, zu welchem verderb¬
lichen Ausgang dies beſtändige Brüten über demſel¬
ben qualvollen Räthſel geführt haben würde, wenn
nicht ein Ereigniß eingetreten wäre, das ihn ſehr
gegen ſeine Vermuthung und ſeinen Wunſch, zwang,
in die Geſellſchaft, die er jetzt ſo gründlich haßte, zu¬
rückzukehren.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/116>, abgerufen am 17.07.2024.
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