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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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seine Gewohnheit bis jetzt sehr still gewesen war;
"saure Wochen, frohe Feste, Tages Arbeit und Abends
eine gemüthliche Bowle, wie der alte Geheimrath sagt.
Das soll keine Anspielung sein, gnädige Frau, bei
Leibe nicht!"

"Aber es wäre Ihnen doch nicht unlieb, wenn
ich es für eine Anspielung nähme," sagte die Ba¬
ronin, die heute Abend entschlossen schien, Alles zu
bezaubern.

"Ich müßte lügen, wollte ich das Gegentheil be¬
haupten," sagte Herr Timm, die Hand aufs Herz
legend; "und Sie wissen, gnädige Frau, daß mir alle
Lüge in den Tod verhaßt ist."

"Eh bien!" sagte die Baronin, "und Sie sollen
die Ingredienzien selbst bestimmen; wollen Sie sich
darüber mit Mademoiselle in Einvernehmen setzen?"

"Famos," sagte Herr Timm, "gnädige Frau, ich
muß Ihnen die Hand küssen;" und nachdem er den
Worten die That hatte folgen lassen, zog er die kleine
Französin bei Seite, ihr das Recept zu einer "famo¬
sen Bowle" mitzutheilen.

Man war vielleicht eine Stunde plaudernd im Salon
beisammen gewesen, Herr Timm hatte einige komische
Lieder eigener Composition am Clavier recht hübsch
vorgetragen, einige komische Scenen, in denen er zu

ſeine Gewohnheit bis jetzt ſehr ſtill geweſen war;
„ſaure Wochen, frohe Feſte, Tages Arbeit und Abends
eine gemüthliche Bowle, wie der alte Geheimrath ſagt.
Das ſoll keine Anſpielung ſein, gnädige Frau, bei
Leibe nicht!“

„Aber es wäre Ihnen doch nicht unlieb, wenn
ich es für eine Anſpielung nähme,“ ſagte die Ba¬
ronin, die heute Abend entſchloſſen ſchien, Alles zu
bezaubern.

„Ich müßte lügen, wollte ich das Gegentheil be¬
haupten,“ ſagte Herr Timm, die Hand aufs Herz
legend; „und Sie wiſſen, gnädige Frau, daß mir alle
Lüge in den Tod verhaßt iſt.“

Eh bien!“ ſagte die Baronin, „und Sie ſollen
die Ingredienzien ſelbſt beſtimmen; wollen Sie ſich
darüber mit Mademoiſelle in Einvernehmen ſetzen?“

„Famos,“ ſagte Herr Timm, „gnädige Frau, ich
muß Ihnen die Hand küſſen;“ und nachdem er den
Worten die That hatte folgen laſſen, zog er die kleine
Franzöſin bei Seite, ihr das Recept zu einer „famo¬
ſen Bowle“ mitzutheilen.

Man war vielleicht eine Stunde plaudernd im Salon
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[127/0137] ſeine Gewohnheit bis jetzt ſehr ſtill geweſen war; „ſaure Wochen, frohe Feſte, Tages Arbeit und Abends eine gemüthliche Bowle, wie der alte Geheimrath ſagt. Das ſoll keine Anſpielung ſein, gnädige Frau, bei Leibe nicht!“ „Aber es wäre Ihnen doch nicht unlieb, wenn ich es für eine Anſpielung nähme,“ ſagte die Ba¬ ronin, die heute Abend entſchloſſen ſchien, Alles zu bezaubern. „Ich müßte lügen, wollte ich das Gegentheil be¬ haupten,“ ſagte Herr Timm, die Hand aufs Herz legend; „und Sie wiſſen, gnädige Frau, daß mir alle Lüge in den Tod verhaßt iſt.“ „Eh bien!“ ſagte die Baronin, „und Sie ſollen die Ingredienzien ſelbſt beſtimmen; wollen Sie ſich darüber mit Mademoiſelle in Einvernehmen ſetzen?“ „Famos,“ ſagte Herr Timm, „gnädige Frau, ich muß Ihnen die Hand küſſen;“ und nachdem er den Worten die That hatte folgen laſſen, zog er die kleine Franzöſin bei Seite, ihr das Recept zu einer „famo¬ ſen Bowle“ mitzutheilen. Man war vielleicht eine Stunde plaudernd im Salon beiſammen geweſen, Herr Timm hatte einige komiſche Lieder eigener Compoſition am Clavier recht hübſch vorgetragen, einige komiſche Scenen, in denen er zu

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/137>, abgerufen am 24.11.2024.