Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

enthalt für das Kind scheint. Bis zu dem Termin,
den uns die Zigeunerin gestellt hat, bin ich jedenfalls
zurück. Bis dahin leben Sie wohl!

In großer Eile und noch größerer Freundschaft

A. v. O.

Oswald fühlte sich durch diesen Brief eigenthüm¬
lich berührt, denn er ahnte mit jener Divinationsgabe,
die in Herzensangelegenheiten eine so große Rolle
spielt, irgend einen Zusammenhang zwischen dieser
plötzlichen Abreise Oldenburg's und der Abreise Me¬
litta's. War es, daß er in der letzten Zeit wiederum
so viel über das Verhältniß der Beiden, das ihm
durch Melitta's in der Mitte abgebrochene Erzählung
in einem ganz neuen Lichte erschienen und doch noch
lange nicht hinreichend aufgehellt war, nachgedacht
hatte; war es nur der Umstand, daß der Brief Ol¬
denburg's so dunkel gehalten war -- genug, Oswald
empfand es als eine Art Beleidigung, daß er nach
dieser Seite hin fort und fort auf Räthsel stieß. Er
nahm sich vor, noch heute nach Berkow hinüberzugehen
und bei'm alten Baumann anzufragen, ob ein Brief
Melitta's für ihn da sei.

Dann nahmen seine Gedanken eine andere Rich¬
tung, als sein Auge auf die Verse fiel, die er gestern
Abend geschrieben hatte. Er mußte lächeln, als er

enthalt für das Kind ſcheint. Bis zu dem Termin,
den uns die Zigeunerin geſtellt hat, bin ich jedenfalls
zurück. Bis dahin leben Sie wohl!

In großer Eile und noch größerer Freundſchaft

A. v. O.

Oswald fühlte ſich durch dieſen Brief eigenthüm¬
lich berührt, denn er ahnte mit jener Divinationsgabe,
die in Herzensangelegenheiten eine ſo große Rolle
ſpielt, irgend einen Zuſammenhang zwiſchen dieſer
plötzlichen Abreiſe Oldenburg's und der Abreiſe Me¬
litta's. War es, daß er in der letzten Zeit wiederum
ſo viel über das Verhältniß der Beiden, das ihm
durch Melitta's in der Mitte abgebrochene Erzählung
in einem ganz neuen Lichte erſchienen und doch noch
lange nicht hinreichend aufgehellt war, nachgedacht
hatte; war es nur der Umſtand, daß der Brief Ol¬
denburg's ſo dunkel gehalten war — genug, Oswald
empfand es als eine Art Beleidigung, daß er nach
dieſer Seite hin fort und fort auf Räthſel ſtieß. Er
nahm ſich vor, noch heute nach Berkow hinüberzugehen
und bei'm alten Baumann anzufragen, ob ein Brief
Melitta's für ihn da ſei.

Dann nahmen ſeine Gedanken eine andere Rich¬
tung, als ſein Auge auf die Verſe fiel, die er geſtern
Abend geſchrieben hatte. Er mußte lächeln, als er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="137"/>
enthalt für das Kind &#x017F;cheint. Bis zu dem Termin,<lb/>
den uns die Zigeunerin ge&#x017F;tellt hat, bin ich jedenfalls<lb/>
zurück. Bis dahin leben Sie wohl!</p><lb/>
        <p>In großer Eile und noch größerer Freund&#x017F;chaft</p><lb/>
        <p rendition="#right">A. v. O.</p><lb/>
        <p>Oswald fühlte &#x017F;ich durch die&#x017F;en Brief eigenthüm¬<lb/>
lich berührt, denn er ahnte mit jener Divinationsgabe,<lb/>
die in Herzensangelegenheiten eine &#x017F;o große Rolle<lb/>
&#x017F;pielt, irgend einen Zu&#x017F;ammenhang zwi&#x017F;chen die&#x017F;er<lb/>
plötzlichen Abrei&#x017F;e Oldenburg's und der Abrei&#x017F;e Me¬<lb/>
litta's. War es, daß er in der letzten Zeit wiederum<lb/>
&#x017F;o viel über das Verhältniß der Beiden, das ihm<lb/>
durch Melitta's in der Mitte abgebrochene Erzählung<lb/>
in einem ganz neuen Lichte er&#x017F;chienen und doch noch<lb/>
lange nicht hinreichend aufgehellt war, nachgedacht<lb/>
hatte; war es nur der Um&#x017F;tand, daß der Brief Ol¬<lb/>
denburg's &#x017F;o dunkel gehalten war &#x2014; genug, Oswald<lb/>
empfand es als eine Art Beleidigung, daß er nach<lb/>
die&#x017F;er Seite hin fort und fort auf Räth&#x017F;el &#x017F;tieß. Er<lb/>
nahm &#x017F;ich vor, noch heute nach Berkow hinüberzugehen<lb/>
und bei'm alten Baumann anzufragen, ob ein Brief<lb/>
Melitta's für ihn da &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Dann nahmen &#x017F;eine Gedanken eine andere Rich¬<lb/>
tung, als &#x017F;ein Auge auf die Ver&#x017F;e fiel, die er ge&#x017F;tern<lb/>
Abend ge&#x017F;chrieben hatte. Er mußte lächeln, als er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0147] enthalt für das Kind ſcheint. Bis zu dem Termin, den uns die Zigeunerin geſtellt hat, bin ich jedenfalls zurück. Bis dahin leben Sie wohl! In großer Eile und noch größerer Freundſchaft A. v. O. Oswald fühlte ſich durch dieſen Brief eigenthüm¬ lich berührt, denn er ahnte mit jener Divinationsgabe, die in Herzensangelegenheiten eine ſo große Rolle ſpielt, irgend einen Zuſammenhang zwiſchen dieſer plötzlichen Abreiſe Oldenburg's und der Abreiſe Me¬ litta's. War es, daß er in der letzten Zeit wiederum ſo viel über das Verhältniß der Beiden, das ihm durch Melitta's in der Mitte abgebrochene Erzählung in einem ganz neuen Lichte erſchienen und doch noch lange nicht hinreichend aufgehellt war, nachgedacht hatte; war es nur der Umſtand, daß der Brief Ol¬ denburg's ſo dunkel gehalten war — genug, Oswald empfand es als eine Art Beleidigung, daß er nach dieſer Seite hin fort und fort auf Räthſel ſtieß. Er nahm ſich vor, noch heute nach Berkow hinüberzugehen und bei'm alten Baumann anzufragen, ob ein Brief Melitta's für ihn da ſei. Dann nahmen ſeine Gedanken eine andere Rich¬ tung, als ſein Auge auf die Verſe fiel, die er geſtern Abend geſchrieben hatte. Er mußte lächeln, als er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/147
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/147>, abgerufen am 22.11.2024.