Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.sie jetzt durchlas. "Da hat Dir Deine leidige Phan¬ Indessen Oswald stellte das Autodafe nicht an, ſie jetzt durchlas. „Da hat Dir Deine leidige Phan¬ Indeſſen Oswald ſtellte das Autodafé nicht an, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0148" n="138"/> ſie jetzt durchlas. „Da hat Dir Deine leidige Phan¬<lb/> taſie wieder einmal einen rechten Streich geſpielt;“<lb/> ſprach er bei ſich. „Es braucht Dir nur Jemand<lb/> von einem hübſchen Mädchen zu erzählen, das einen<lb/> Andern, als Deine Hoheit, heirathen ſoll, und Du ge¬<lb/> räthſt in einen Paroxysmus des Mitleidens mit dem<lb/> jungen Mädchen und in einen Paroxysmus des Haſſes<lb/> gegen den jungen Mann. Und hernach brauchſt Du<lb/> das Mädchen nur ſelber zu ſehen und zu finden, daß<lb/> ſie große dunkle leuchtende Augen hat und überhaupt<lb/> intereſſanter ausſieht, als die Backfiſche im Allgemeinen,<lb/> und ein Knabe braucht Dir nur eine halbe Stunde<lb/> von beſagtem Backfisch vorzuſchwärmen, ſo fühlſt Du<lb/> Dich gemüßigt, ſo überſchwängliche Verſe zu ſchreiben<lb/> wie dieſe hier, die ich in das Feuer des Ofens ſtecken<lb/> würde, wenn wir uns nicht unglücklicherweiſe in den<lb/> Hundstagen befänden.“</p><lb/> <p>Indeſſen Oswald ſtellte das Autodafé nicht an,<lb/> obgleich die Flamme eines Lichtes dieſelben Dienſte<lb/> gethan haben würde, wie das Feuer im Ofen, ſondern<lb/> legte das Blatt ſehr ſorgfältig in ſein Pult — ver¬<lb/> muthlich, es zur Erinnerung an eine ſchwache Stunde<lb/> aufzubewahren, da er ſonſt ziemlich frei von der<lb/> Affenliebe war, welche junge angehende Dichter für<lb/> die Kinder ihres Geiſtes zu empfinden pflegen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [138/0148]
ſie jetzt durchlas. „Da hat Dir Deine leidige Phan¬
taſie wieder einmal einen rechten Streich geſpielt;“
ſprach er bei ſich. „Es braucht Dir nur Jemand
von einem hübſchen Mädchen zu erzählen, das einen
Andern, als Deine Hoheit, heirathen ſoll, und Du ge¬
räthſt in einen Paroxysmus des Mitleidens mit dem
jungen Mädchen und in einen Paroxysmus des Haſſes
gegen den jungen Mann. Und hernach brauchſt Du
das Mädchen nur ſelber zu ſehen und zu finden, daß
ſie große dunkle leuchtende Augen hat und überhaupt
intereſſanter ausſieht, als die Backfiſche im Allgemeinen,
und ein Knabe braucht Dir nur eine halbe Stunde
von beſagtem Backfisch vorzuſchwärmen, ſo fühlſt Du
Dich gemüßigt, ſo überſchwängliche Verſe zu ſchreiben
wie dieſe hier, die ich in das Feuer des Ofens ſtecken
würde, wenn wir uns nicht unglücklicherweiſe in den
Hundstagen befänden.“
Indeſſen Oswald ſtellte das Autodafé nicht an,
obgleich die Flamme eines Lichtes dieſelben Dienſte
gethan haben würde, wie das Feuer im Ofen, ſondern
legte das Blatt ſehr ſorgfältig in ſein Pult — ver¬
muthlich, es zur Erinnerung an eine ſchwache Stunde
aufzubewahren, da er ſonſt ziemlich frei von der
Affenliebe war, welche junge angehende Dichter für
die Kinder ihres Geiſtes zu empfinden pflegen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |