Papiere aufgefunden, die mich in den Stand gesetzt haben, die rechtmäßigen Besitzer von Stantow und Bärwalde mit ziemlicher Gewißheit angeben zu kön¬ nen. Mein Rechtlichkeitsgefühl und die specielle Ver¬ ehrung, die ich für Sie und Ihr Fräulein Tochter empfinde, liegen sich nun sehr bedeutend in den Haa¬ ren. Das erstere befiehlt mir, von meiner Entdeckung den pflichtschuldigen Gebrauch zu machen, die letztere heißt mich, die Sache zu vertuschen. Wie wär' es, hochverehrte Frau, wenn sie meiner vollkommen un¬ eigennützigen Verehrung mit einigen tausend Thalern, die ich, auf Ehre, sehr nothwendig brauche, zu Hülfe kämen?"
Dieser Gedanke schien für Herrn Timm etwas Begeisterndes zu haben. Er sprang vom Sopha auf, und ging mit raschen Schritten, lebhaft gesticulirend, in seinem Gemache auf und ab. "Das könnte eine wahre Schatzgrube für mich werden", murmelte er; "ich wollte das stolze Weib ängstigen, daß ihre großen grauen Augen noch einmal so groß würden; ich wollte ihr Daumschrauben ansetzen und jedesmal, wenn ich Geld brauchte, die Schraube etwas fester anziehen. Sie würde Alles und Jedes thun, ehe sie es auf einen Proceß ankommen ließe. Dann wäre ich so ein Stück von Herr im Hause: dann könnte ich die Nar¬
Papiere aufgefunden, die mich in den Stand geſetzt haben, die rechtmäßigen Beſitzer von Stantow und Bärwalde mit ziemlicher Gewißheit angeben zu kön¬ nen. Mein Rechtlichkeitsgefühl und die ſpecielle Ver¬ ehrung, die ich für Sie und Ihr Fräulein Tochter empfinde, liegen ſich nun ſehr bedeutend in den Haa¬ ren. Das erſtere befiehlt mir, von meiner Entdeckung den pflichtſchuldigen Gebrauch zu machen, die letztere heißt mich, die Sache zu vertuſchen. Wie wär' es, hochverehrte Frau, wenn ſie meiner vollkommen un¬ eigennützigen Verehrung mit einigen tauſend Thalern, die ich, auf Ehre, ſehr nothwendig brauche, zu Hülfe kämen?“
Dieſer Gedanke ſchien für Herrn Timm etwas Begeiſterndes zu haben. Er ſprang vom Sopha auf, und ging mit raſchen Schritten, lebhaft geſticulirend, in ſeinem Gemache auf und ab. „Das könnte eine wahre Schatzgrube für mich werden“, murmelte er; „ich wollte das ſtolze Weib ängſtigen, daß ihre großen grauen Augen noch einmal ſo groß würden; ich wollte ihr Daumſchrauben anſetzen und jedesmal, wenn ich Geld brauchte, die Schraube etwas feſter anziehen. Sie würde Alles und Jedes thun, ehe ſie es auf einen Proceß ankommen ließe. Dann wäre ich ſo ein Stück von Herr im Hauſe: dann könnte ich die Nar¬
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Papiere aufgefunden, die mich in den Stand geſetzt
haben, die rechtmäßigen Beſitzer von Stantow und
Bärwalde mit ziemlicher Gewißheit angeben zu kön¬
nen. Mein Rechtlichkeitsgefühl und die ſpecielle Ver¬
ehrung, die ich für Sie und Ihr Fräulein Tochter
empfinde, liegen ſich nun ſehr bedeutend in den Haa¬
ren. Das erſtere befiehlt mir, von meiner Entdeckung
den pflichtſchuldigen Gebrauch zu machen, die letztere
heißt mich, die Sache zu vertuſchen. Wie wär' es,
hochverehrte Frau, wenn ſie meiner vollkommen un¬
eigennützigen Verehrung mit einigen tauſend Thalern,
die ich, auf Ehre, ſehr nothwendig brauche, zu Hülfe
kämen?“
Dieſer Gedanke ſchien für Herrn Timm etwas
Begeiſterndes zu haben. Er ſprang vom Sopha auf,
und ging mit raſchen Schritten, lebhaft geſticulirend,
in ſeinem Gemache auf und ab. „Das könnte eine
wahre Schatzgrube für mich werden“, murmelte er;
„ich wollte das ſtolze Weib ängſtigen, daß ihre großen
grauen Augen noch einmal ſo groß würden; ich wollte
ihr Daumſchrauben anſetzen und jedesmal, wenn ich
Geld brauchte, die Schraube etwas feſter anziehen.
Sie würde Alles und Jedes thun, ehe ſie es auf
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/229>, abgerufen am 16.02.2025.
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