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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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büsche. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er
statt der hübschen Luise, Bruno an sich vorüberschleichen
sah. Im ersten Augenblick mußte Felix über diese
Enttäuschung lachen; im nächsten aber schon fiel ihm
ein, daß durch diese Dazwischenkunft sein Rendezvous
mehr wie bedenklich werde, und daß es unter diesen
Umständen wol das Gerathenste sein möchte, sich in
das Schloß zurückzustehlen. "Wer weiß, wie lange
sich der Junge hier herumtreiben wird; am Ende ist
er gar verliebt, oder er ist verrückt, oder beides, denn
er sieht nach beidem aus; oder er ist mondsüchtig und
geht so ein paar Stunden hier spazieren. Der ver¬
dammte Bengel! überall steht er mir im Wege; ich
hätte große Lust, ihm nächstens einige fühlbare Be¬
weise meiner freundschaftlichen Gesinnung zu geben.
Auf jeden Fall will ich ihm das Feld räumen. Jetzt
kann man noch als verspäteter Liebhaber eines Mond¬
scheinabends auftreten; später geht das nicht mehr
gut. Aber der Tante wollen wir doch von diesen
nächtlichen Excursionen der Zöglinge des Herrn Stein
erzählen."

Felix hatte den Weg nach dem Schlosse fast zu¬
rückgelegt, ohne Bruno zu sehen, und schon hoffte er,
daß der Knabe sich aus dem Garten entfernt habe
und sein Rendezvous doch noch zu Stande kommen

büſche. Wie groß war aber ſein Erſtaunen, als er
ſtatt der hübſchen Luiſe, Bruno an ſich vorüberſchleichen
ſah. Im erſten Augenblick mußte Felix über dieſe
Enttäuſchung lachen; im nächſten aber ſchon fiel ihm
ein, daß durch dieſe Dazwiſchenkunft ſein Rendezvous
mehr wie bedenklich werde, und daß es unter dieſen
Umſtänden wol das Gerathenſte ſein möchte, ſich in
das Schloß zurückzuſtehlen. „Wer weiß, wie lange
ſich der Junge hier herumtreiben wird; am Ende iſt
er gar verliebt, oder er iſt verrückt, oder beides, denn
er ſieht nach beidem aus; oder er iſt mondſüchtig und
geht ſo ein paar Stunden hier ſpazieren. Der ver¬
dammte Bengel! überall ſteht er mir im Wege; ich
hätte große Luſt, ihm nächſtens einige fühlbare Be¬
weiſe meiner freundſchaftlichen Geſinnung zu geben.
Auf jeden Fall will ich ihm das Feld räumen. Jetzt
kann man noch als verſpäteter Liebhaber eines Mond¬
ſcheinabends auftreten; ſpäter geht das nicht mehr
gut. Aber der Tante wollen wir doch von dieſen
nächtlichen Excurſionen der Zöglinge des Herrn Stein
erzählen.“

Felix hatte den Weg nach dem Schloſſe faſt zu¬
rückgelegt, ohne Bruno zu ſehen, und ſchon hoffte er,
daß der Knabe ſich aus dem Garten entfernt habe
und ſein Rendezvous doch noch zu Stande kommen

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[152/0162] büſche. Wie groß war aber ſein Erſtaunen, als er ſtatt der hübſchen Luiſe, Bruno an ſich vorüberſchleichen ſah. Im erſten Augenblick mußte Felix über dieſe Enttäuſchung lachen; im nächſten aber ſchon fiel ihm ein, daß durch dieſe Dazwiſchenkunft ſein Rendezvous mehr wie bedenklich werde, und daß es unter dieſen Umſtänden wol das Gerathenſte ſein möchte, ſich in das Schloß zurückzuſtehlen. „Wer weiß, wie lange ſich der Junge hier herumtreiben wird; am Ende iſt er gar verliebt, oder er iſt verrückt, oder beides, denn er ſieht nach beidem aus; oder er iſt mondſüchtig und geht ſo ein paar Stunden hier ſpazieren. Der ver¬ dammte Bengel! überall ſteht er mir im Wege; ich hätte große Luſt, ihm nächſtens einige fühlbare Be¬ weiſe meiner freundſchaftlichen Geſinnung zu geben. Auf jeden Fall will ich ihm das Feld räumen. Jetzt kann man noch als verſpäteter Liebhaber eines Mond¬ ſcheinabends auftreten; ſpäter geht das nicht mehr gut. Aber der Tante wollen wir doch von dieſen nächtlichen Excurſionen der Zöglinge des Herrn Stein erzählen.“ Felix hatte den Weg nach dem Schloſſe faſt zu¬ rückgelegt, ohne Bruno zu ſehen, und ſchon hoffte er, daß der Knabe ſich aus dem Garten entfernt habe und ſein Rendezvous doch noch zu Stande kommen

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/162>, abgerufen am 02.06.2024.