Goulardi zu den nothwendigsten Toiletterequisiten ge¬ hörten. Der Vielgewandte bewies, daß er die Kunst, Beulen und blaue Flecke zu behandeln, ebenso wenig verlernt habe, als sein Herr das Talent, sich solche zu holen, und schon gegen Mittag sah sich Felix in einem salonfähigen Zustande. Dennoch zweifelte er, ob er bei der Tafel erscheinen solle, oder nicht. Der Gedanke Bruno gegenüberzutreten, des Knaben dunkle Augen voll Hohn und Schadenfreunde auf sich ruhen zu sehen, vielleicht gar in Oswald's Blicken wahrzu¬ nehmen, daß er von den Ereignissen der verwichenen Nacht vollkommen unterrichtet sei, war ihm äußerst peinlich. Es fiel ihm ordentlich eine Last vom Her¬ zen, als Jean berichtete, die Tafel werde heute sehr klein sein, denn Junker Bruno und Herr Stein wür¬ den nicht erscheinen. So warf er denn noch einen Blick in den Spiegel, goß sich drei Tropfen Eßbou¬ quet mehr wie gewöhnlich auf sein feines Battist¬ taschentuch und schritt durch die Thür, die ihm der Vielgewandte pflichtschuldigst öffnete, obgleich mit der Erinnerung an die Niederlage gestern Abend be¬ lastet, leicht und frei und vor allem unwiderstehlich wie immer.
Auch die Baronin fühlte sich nicht wenig erleich¬ tert, als sie im Laufe des Morgens keine Verände¬
Goulardi zu den nothwendigſten Toiletterequiſiten ge¬ hörten. Der Vielgewandte bewies, daß er die Kunſt, Beulen und blaue Flecke zu behandeln, ebenſo wenig verlernt habe, als ſein Herr das Talent, ſich ſolche zu holen, und ſchon gegen Mittag ſah ſich Felix in einem ſalonfähigen Zuſtande. Dennoch zweifelte er, ob er bei der Tafel erſcheinen ſolle, oder nicht. Der Gedanke Bruno gegenüberzutreten, des Knaben dunkle Augen voll Hohn und Schadenfreunde auf ſich ruhen zu ſehen, vielleicht gar in Oswald's Blicken wahrzu¬ nehmen, daß er von den Ereigniſſen der verwichenen Nacht vollkommen unterrichtet ſei, war ihm äußerſt peinlich. Es fiel ihm ordentlich eine Laſt vom Her¬ zen, als Jean berichtete, die Tafel werde heute ſehr klein ſein, denn Junker Bruno und Herr Stein wür¬ den nicht erſcheinen. So warf er denn noch einen Blick in den Spiegel, goß ſich drei Tropfen Eßbou¬ quet mehr wie gewöhnlich auf ſein feines Battiſt¬ taſchentuch und ſchritt durch die Thür, die ihm der Vielgewandte pflichtſchuldigſt öffnete, obgleich mit der Erinnerung an die Niederlage geſtern Abend be¬ laſtet, leicht und frei und vor allem unwiderſtehlich wie immer.
Auch die Baronin fühlte ſich nicht wenig erleich¬ tert, als ſie im Laufe des Morgens keine Verände¬
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Goulardi zu den nothwendigſten Toiletterequiſiten ge¬
hörten. Der Vielgewandte bewies, daß er die Kunſt,
Beulen und blaue Flecke zu behandeln, ebenſo wenig
verlernt habe, als ſein Herr das Talent, ſich ſolche
zu holen, und ſchon gegen Mittag ſah ſich Felix in
einem ſalonfähigen Zuſtande. Dennoch zweifelte er,
ob er bei der Tafel erſcheinen ſolle, oder nicht. Der
Gedanke Bruno gegenüberzutreten, des Knaben dunkle
Augen voll Hohn und Schadenfreunde auf ſich ruhen
zu ſehen, vielleicht gar in Oswald's Blicken wahrzu¬
nehmen, daß er von den Ereigniſſen der verwichenen
Nacht vollkommen unterrichtet ſei, war ihm äußerſt
peinlich. Es fiel ihm ordentlich eine Laſt vom Her¬
zen, als Jean berichtete, die Tafel werde heute ſehr
klein ſein, denn Junker Bruno und Herr Stein wür¬
den nicht erſcheinen. So warf er denn noch einen
Blick in den Spiegel, goß ſich drei Tropfen Eßbou¬
quet mehr wie gewöhnlich auf ſein feines Battiſt¬
taſchentuch und ſchritt durch die Thür, die ihm der
Vielgewandte pflichtſchuldigſt öffnete, obgleich mit der
Erinnerung an die Niederlage geſtern Abend be¬
laſtet, leicht und frei und vor allem unwiderſtehlich
wie immer.
Auch die Baronin fühlte ſich nicht wenig erleich¬
tert, als ſie im Laufe des Morgens keine Verände¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/169>, abgerufen am 22.12.2024.
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