haben würde, und somit immerhin seine Erkrankung für mich ein nicht ungünstiges Zusammentreffen der Umstände genannt zu werden verdient."
"Hat man denn gar keine Vermuthung, wie dies so plötzlich gekommen ist?" fragte die Baronin.
"Nun, meine Gnädigste, plötzlich können wir nun wol so eigentlich nicht sagen;" erwiederte der Pastor, sein Gesicht in die ernstesten Falten legend und seine Mundwinkel herabziehend; "ich gestehe, daß mich dies Ende in keiner Weise überrascht hat und daß ich den Professor im Grunde stets für mindestens halb wahn¬ sinnig gehalten habe. Wer mit Berger behauptet, daß alle sogenannten Beweise von dem Dasein Gottes, des allmächtigen Schöpfers Himmels und der Erden, auf einen Trugschluß, eine petitio principii hinaus¬ liefen, der ist schon wahnsinnig, auch wenn er noch scheinbar wie ein Vernünftiger spricht. Wer über die geheiligten Institutionen des Königthums von Gottes Gnaden und des Erbadels freventlich spotten, sie Ueberreste einer barbarischen Zeit, die hinter uns liegt, nennen kann, der ist schon toll, obgleich er Pro¬ fessor ist und Collegien vor einem überfüllten Audi¬ torium liest. Ich weiß es wol, daß geschrieben steht: richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet; aber ich kann mich dennoch, diesen Fall erwägend,
haben würde, und ſomit immerhin ſeine Erkrankung für mich ein nicht ungünſtiges Zuſammentreffen der Umſtände genannt zu werden verdient.“
„Hat man denn gar keine Vermuthung, wie dies ſo plötzlich gekommen iſt?“ fragte die Baronin.
„Nun, meine Gnädigſte, plötzlich können wir nun wol ſo eigentlich nicht ſagen;“ erwiederte der Paſtor, ſein Geſicht in die ernſteſten Falten legend und ſeine Mundwinkel herabziehend; „ich geſtehe, daß mich dies Ende in keiner Weiſe überraſcht hat und daß ich den Profeſſor im Grunde ſtets für mindeſtens halb wahn¬ ſinnig gehalten habe. Wer mit Berger behauptet, daß alle ſogenannten Beweiſe von dem Daſein Gottes, des allmächtigen Schöpfers Himmels und der Erden, auf einen Trugſchluß, eine petitio principii hinaus¬ liefen, der iſt ſchon wahnſinnig, auch wenn er noch ſcheinbar wie ein Vernünftiger ſpricht. Wer über die geheiligten Inſtitutionen des Königthums von Gottes Gnaden und des Erbadels freventlich ſpotten, ſie Ueberreſte einer barbariſchen Zeit, die hinter uns liegt, nennen kann, der iſt ſchon toll, obgleich er Pro¬ feſſor iſt und Collegien vor einem überfüllten Audi¬ torium lieſt. Ich weiß es wol, daß geſchrieben ſteht: richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet; aber ich kann mich dennoch, dieſen Fall erwägend,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0179"n="169"/>
haben würde, und ſomit immerhin ſeine Erkrankung<lb/>
für mich ein nicht ungünſtiges Zuſammentreffen der<lb/>
Umſtände genannt zu werden verdient.“</p><lb/><p>„Hat man denn gar keine Vermuthung, wie dies<lb/>ſo plötzlich gekommen iſt?“ fragte die Baronin.</p><lb/><p>„Nun, meine Gnädigſte, plötzlich können wir nun<lb/>
wol ſo eigentlich nicht ſagen;“ erwiederte der Paſtor,<lb/>ſein Geſicht in die ernſteſten Falten legend und ſeine<lb/>
Mundwinkel herabziehend; „ich geſtehe, daß mich dies<lb/>
Ende in keiner Weiſe überraſcht hat und daß ich den<lb/>
Profeſſor im Grunde ſtets für mindeſtens halb wahn¬<lb/>ſinnig gehalten habe. Wer mit Berger behauptet,<lb/>
daß alle ſogenannten Beweiſe von dem Daſein Gottes,<lb/>
des allmächtigen Schöpfers Himmels und der Erden,<lb/>
auf einen Trugſchluß, eine <hirendition="#aq">petitio principii</hi> hinaus¬<lb/>
liefen, der iſt ſchon wahnſinnig, auch wenn er noch<lb/>ſcheinbar wie ein Vernünftiger ſpricht. Wer über die<lb/>
geheiligten Inſtitutionen des Königthums von Gottes<lb/>
Gnaden und des Erbadels freventlich ſpotten, ſie<lb/>
Ueberreſte einer barbariſchen Zeit, die hinter uns<lb/>
liegt, nennen kann, der iſt ſchon toll, obgleich er Pro¬<lb/>
feſſor iſt und Collegien vor einem überfüllten Audi¬<lb/>
torium lieſt. Ich weiß es wol, daß geſchrieben ſteht:<lb/>
richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet;<lb/>
aber ich kann mich dennoch, dieſen Fall erwägend,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[169/0179]
haben würde, und ſomit immerhin ſeine Erkrankung
für mich ein nicht ungünſtiges Zuſammentreffen der
Umſtände genannt zu werden verdient.“
„Hat man denn gar keine Vermuthung, wie dies
ſo plötzlich gekommen iſt?“ fragte die Baronin.
„Nun, meine Gnädigſte, plötzlich können wir nun
wol ſo eigentlich nicht ſagen;“ erwiederte der Paſtor,
ſein Geſicht in die ernſteſten Falten legend und ſeine
Mundwinkel herabziehend; „ich geſtehe, daß mich dies
Ende in keiner Weiſe überraſcht hat und daß ich den
Profeſſor im Grunde ſtets für mindeſtens halb wahn¬
ſinnig gehalten habe. Wer mit Berger behauptet,
daß alle ſogenannten Beweiſe von dem Daſein Gottes,
des allmächtigen Schöpfers Himmels und der Erden,
auf einen Trugſchluß, eine petitio principii hinaus¬
liefen, der iſt ſchon wahnſinnig, auch wenn er noch
ſcheinbar wie ein Vernünftiger ſpricht. Wer über die
geheiligten Inſtitutionen des Königthums von Gottes
Gnaden und des Erbadels freventlich ſpotten, ſie
Ueberreſte einer barbariſchen Zeit, die hinter uns
liegt, nennen kann, der iſt ſchon toll, obgleich er Pro¬
feſſor iſt und Collegien vor einem überfüllten Audi¬
torium lieſt. Ich weiß es wol, daß geſchrieben ſteht:
richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet;
aber ich kann mich dennoch, dieſen Fall erwägend,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/179>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.