hielt. Er hatte sein Opfer losgelassen und war auf¬ gesprungen. Die Gestalt hatte sich eilig entfernt, er war ihr ein paar Schritte gefolgt, bis jene in der Richtung nach dem Leutehause hin verschwunden war und er seinen Irrthum eingesehen hatte. Sich wieder über seine Beute zu stürzen, nachdem er einmal weg¬ gescheucht war, war ihm unmöglich; er sah, wie Felix sich nach einigen vergeblichen Versuchen in die Höhe richtete. Das war ihm genug gewesen; er konnte sich in seine Kammer und in sein Bett stehlen, ohne einen Mord auf dem Gewissen zu haben.
Und doch war er kaum weniger erregt. Sein Herz hämmerte, seine Pulse flogen; glühende Hitze und Fieberfrost wechselten mit einander ab. Das verwor¬ ren klare Bild der Kampfesscene drängte sich immer wieder in den Vordergrund; der Triumph, seinen Todfeind so gänzlich besiegt zu haben, wurde durch den Gedanken verbittert, daß Helene trotzdem noch immer nicht frei sei. Das quälte ihn fast noch mehr als die heftigen Schmerzen, die er, sobald er nur einigermaßen zur Ruhe gekommen war, in der Seite empfand, und die gar nicht nachlassen wollten, ja, wie es schien, nur immer heftiger wurden und sich von einem anfänglich kleinen Punkte aus, immer weiter verbreiteten.
hielt. Er hatte ſein Opfer losgelaſſen und war auf¬ geſprungen. Die Geſtalt hatte ſich eilig entfernt, er war ihr ein paar Schritte gefolgt, bis jene in der Richtung nach dem Leutehauſe hin verſchwunden war und er ſeinen Irrthum eingeſehen hatte. Sich wieder über ſeine Beute zu ſtürzen, nachdem er einmal weg¬ geſcheucht war, war ihm unmöglich; er ſah, wie Felix ſich nach einigen vergeblichen Verſuchen in die Höhe richtete. Das war ihm genug geweſen; er konnte ſich in ſeine Kammer und in ſein Bett ſtehlen, ohne einen Mord auf dem Gewiſſen zu haben.
Und doch war er kaum weniger erregt. Sein Herz hämmerte, ſeine Pulſe flogen; glühende Hitze und Fieberfroſt wechſelten mit einander ab. Das verwor¬ ren klare Bild der Kampfesſcene drängte ſich immer wieder in den Vordergrund; der Triumph, ſeinen Todfeind ſo gänzlich beſiegt zu haben, wurde durch den Gedanken verbittert, daß Helene trotzdem noch immer nicht frei ſei. Das quälte ihn faſt noch mehr als die heftigen Schmerzen, die er, ſobald er nur einigermaßen zur Ruhe gekommen war, in der Seite empfand, und die gar nicht nachlaſſen wollten, ja, wie es ſchien, nur immer heftiger wurden und ſich von einem anfänglich kleinen Punkte aus, immer weiter verbreiteten.
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hielt. Er hatte ſein Opfer losgelaſſen und war auf¬
geſprungen. Die Geſtalt hatte ſich eilig entfernt, er
war ihr ein paar Schritte gefolgt, bis jene in der
Richtung nach dem Leutehauſe hin verſchwunden war
und er ſeinen Irrthum eingeſehen hatte. Sich wieder
über ſeine Beute zu ſtürzen, nachdem er einmal weg¬
geſcheucht war, war ihm unmöglich; er ſah, wie Felix
ſich nach einigen vergeblichen Verſuchen in die Höhe
richtete. Das war ihm genug geweſen; er konnte ſich
in ſeine Kammer und in ſein Bett ſtehlen, ohne einen
Mord auf dem Gewiſſen zu haben.
Und doch war er kaum weniger erregt. Sein Herz
hämmerte, ſeine Pulſe flogen; glühende Hitze und
Fieberfroſt wechſelten mit einander ab. Das verwor¬
ren klare Bild der Kampfesſcene drängte ſich immer
wieder in den Vordergrund; der Triumph, ſeinen
Todfeind ſo gänzlich beſiegt zu haben, wurde durch
den Gedanken verbittert, daß Helene trotzdem noch
immer nicht frei ſei. Das quälte ihn faſt noch mehr
als die heftigen Schmerzen, die er, ſobald er nur
einigermaßen zur Ruhe gekommen war, in der Seite
empfand, und die gar nicht nachlaſſen wollten, ja,
wie es ſchien, nur immer heftiger wurden und ſich
von einem anfänglich kleinen Punkte aus, immer weiter
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/194>, abgerufen am 23.12.2024.
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