Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

wird heute wie gewöhnlich ihre Morgenpromenade
machen. Aber wie steht es mit Dir?"

"Besser, viel besser;" sagte Bruno, der von den
heftigsten Schmerzen gefoltert wurde, aber fürchtete,
daß Oswald in der Sorge um ihn die einzige Ge¬
legenheit, Helenen zu sehen und zu sprechen, versäu¬
men könnte; "viel besser! wenn ich die Hand so in
die Seite drücke, fühle ich beinahe gar nichts. Mache
nur, daß Du in den Garten kommst, und höre! grüß
sie von mir und sage ihr nicht, daß ich krank bin,
nur ein wenig unwohl -- ich bin ja auch eigentlich
nicht krank --"

Der Knabe sank auf sein Lager zurück und gab
sich Mühe, Oswald freundlich anzulächeln. Aber es
war ein schmerzliches Lächeln trotz alledem und als
die Thür sich hinter Oswald geschlossen hatte, verbarg
Bruno sein Gesicht in den Kissen, um das dumpfe
Stöhnen zu ersticken, das ihm die Qualen seiner
Seele ebenso auspreßten, als die Schmerzen seines
Körpers.


wird heute wie gewöhnlich ihre Morgenpromenade
machen. Aber wie ſteht es mit Dir?“

„Beſſer, viel beſſer;“ ſagte Bruno, der von den
heftigſten Schmerzen gefoltert wurde, aber fürchtete,
daß Oswald in der Sorge um ihn die einzige Ge¬
legenheit, Helenen zu ſehen und zu ſprechen, verſäu¬
men könnte; „viel beſſer! wenn ich die Hand ſo in
die Seite drücke, fühle ich beinahe gar nichts. Mache
nur, daß Du in den Garten kommſt, und höre! grüß
ſie von mir und ſage ihr nicht, daß ich krank bin,
nur ein wenig unwohl — ich bin ja auch eigentlich
nicht krank —“

Der Knabe ſank auf ſein Lager zurück und gab
ſich Mühe, Oswald freundlich anzulächeln. Aber es
war ein ſchmerzliches Lächeln trotz alledem und als
die Thür ſich hinter Oswald geſchloſſen hatte, verbarg
Bruno ſein Geſicht in den Kiſſen, um das dumpfe
Stöhnen zu erſticken, das ihm die Qualen ſeiner
Seele ebenſo auspreßten, als die Schmerzen ſeines
Körpers.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="190"/>
wird heute wie gewöhnlich ihre Morgenpromenade<lb/>
machen. Aber wie &#x017F;teht es mit Dir?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Be&#x017F;&#x017F;er, viel be&#x017F;&#x017F;er;&#x201C; &#x017F;agte Bruno, der von den<lb/>
heftig&#x017F;ten Schmerzen gefoltert wurde, aber fürchtete,<lb/>
daß Oswald in der Sorge um ihn die einzige Ge¬<lb/>
legenheit, Helenen zu &#x017F;ehen und zu &#x017F;prechen, ver&#x017F;äu¬<lb/>
men könnte; &#x201E;viel be&#x017F;&#x017F;er! wenn ich die Hand &#x017F;o in<lb/>
die Seite drücke, fühle ich beinahe gar nichts. Mache<lb/>
nur, daß Du in den Garten komm&#x017F;t, und höre! grüß<lb/>
&#x017F;ie von mir und &#x017F;age ihr nicht, daß ich krank bin,<lb/>
nur ein wenig unwohl &#x2014; ich bin ja auch eigentlich<lb/>
nicht krank &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Knabe &#x017F;ank auf &#x017F;ein Lager zurück und gab<lb/>
&#x017F;ich Mühe, Oswald freundlich anzulächeln. Aber es<lb/>
war ein &#x017F;chmerzliches Lächeln trotz alledem und als<lb/>
die Thür &#x017F;ich hinter Oswald ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte, verbarg<lb/>
Bruno &#x017F;ein Ge&#x017F;icht in den Ki&#x017F;&#x017F;en, um das dumpfe<lb/>
Stöhnen zu er&#x017F;ticken, das ihm die Qualen &#x017F;einer<lb/>
Seele eben&#x017F;o auspreßten, als die Schmerzen &#x017F;eines<lb/>
Körpers.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0200] wird heute wie gewöhnlich ihre Morgenpromenade machen. Aber wie ſteht es mit Dir?“ „Beſſer, viel beſſer;“ ſagte Bruno, der von den heftigſten Schmerzen gefoltert wurde, aber fürchtete, daß Oswald in der Sorge um ihn die einzige Ge¬ legenheit, Helenen zu ſehen und zu ſprechen, verſäu¬ men könnte; „viel beſſer! wenn ich die Hand ſo in die Seite drücke, fühle ich beinahe gar nichts. Mache nur, daß Du in den Garten kommſt, und höre! grüß ſie von mir und ſage ihr nicht, daß ich krank bin, nur ein wenig unwohl — ich bin ja auch eigentlich nicht krank —“ Der Knabe ſank auf ſein Lager zurück und gab ſich Mühe, Oswald freundlich anzulächeln. Aber es war ein ſchmerzliches Lächeln trotz alledem und als die Thür ſich hinter Oswald geſchloſſen hatte, verbarg Bruno ſein Geſicht in den Kiſſen, um das dumpfe Stöhnen zu erſticken, das ihm die Qualen ſeiner Seele ebenſo auspreßten, als die Schmerzen ſeines Körpers.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/200
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/200>, abgerufen am 22.12.2024.