Endlich, als Oswald die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, kam Dr. Balthasar. Es war ein alter Mann, den die vielen Geschäfte des Tages ver¬ drießlich gemacht hatten und der etwas von "Lappa¬ lien, derentwegen man die Leute um ihre Ruhe bringe," durch die Zähne murmelte. Er untersuchte Burno kaum, sagte: es würde sich schon von selbst geben, übrigens wolle er morgen wieder kommen und eine Einreibung mitbringen.
"Nun sind wir auch noch so klug, wie vorher," sagte Oswald, als der Doctor wieder fort war.
"Ich sagte Dir ja gleich, es hat nichts zu bedeu¬ ten. Leg' Dich schlafen, Oswald! Du brauchst es eben so nöthig, wie ich."
Indessen, die Beiden fanden nicht viel Ruhe in dieser Nacht. Oswald hatte sein Sopha neben Bruno's Bett stellen lassen, und blieb angekleidet, um jeden Augenblick bereit zu sein. Bruno's Zustand blieb der¬ selbe, nur daß seine Unruhe immer größer wurde, und er in immer kürzeren Zwischenräumen zu trinken ver¬ langte. Gegen Morgen war Oswald eingeschlafen; Bruno weckte ihn, als die Sonne eine Stunde über dem Horizont war.
"Oswald, ich kann Dich nicht länger schlafen lassen, so leid es mir thut. Du mußt in den Garten,
Endlich, als Oswald die Hoffnung ſchon beinahe aufgegeben hatte, kam Dr. Balthaſar. Es war ein alter Mann, den die vielen Geſchäfte des Tages ver¬ drießlich gemacht hatten und der etwas von „Lappa¬ lien, derentwegen man die Leute um ihre Ruhe bringe,“ durch die Zähne murmelte. Er unterſuchte Burno kaum, ſagte: es würde ſich ſchon von ſelbſt geben, übrigens wolle er morgen wieder kommen und eine Einreibung mitbringen.
„Nun ſind wir auch noch ſo klug, wie vorher,“ ſagte Oswald, als der Doctor wieder fort war.
„Ich ſagte Dir ja gleich, es hat nichts zu bedeu¬ ten. Leg' Dich ſchlafen, Oswald! Du brauchſt es eben ſo nöthig, wie ich.“
Indeſſen, die Beiden fanden nicht viel Ruhe in dieſer Nacht. Oswald hatte ſein Sopha neben Bruno's Bett ſtellen laſſen, und blieb angekleidet, um jeden Augenblick bereit zu ſein. Bruno's Zuſtand blieb der¬ ſelbe, nur daß ſeine Unruhe immer größer wurde, und er in immer kürzeren Zwiſchenräumen zu trinken ver¬ langte. Gegen Morgen war Oswald eingeſchlafen; Bruno weckte ihn, als die Sonne eine Stunde über dem Horizont war.
„Oswald, ich kann Dich nicht länger ſchlafen laſſen, ſo leid es mir thut. Du mußt in den Garten,
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Endlich, als Oswald die Hoffnung ſchon beinahe
aufgegeben hatte, kam Dr. Balthaſar. Es war ein
alter Mann, den die vielen Geſchäfte des Tages ver¬
drießlich gemacht hatten und der etwas von „Lappa¬
lien, derentwegen man die Leute um ihre Ruhe bringe,“
durch die Zähne murmelte. Er unterſuchte Burno
kaum, ſagte: es würde ſich ſchon von ſelbſt geben,
übrigens wolle er morgen wieder kommen und eine
Einreibung mitbringen.
„Nun ſind wir auch noch ſo klug, wie vorher,“
ſagte Oswald, als der Doctor wieder fort war.
„Ich ſagte Dir ja gleich, es hat nichts zu bedeu¬
ten. Leg' Dich ſchlafen, Oswald! Du brauchſt es eben
ſo nöthig, wie ich.“
Indeſſen, die Beiden fanden nicht viel Ruhe in
dieſer Nacht. Oswald hatte ſein Sopha neben Bruno's
Bett ſtellen laſſen, und blieb angekleidet, um jeden
Augenblick bereit zu ſein. Bruno's Zuſtand blieb der¬
ſelbe, nur daß ſeine Unruhe immer größer wurde, und
er in immer kürzeren Zwiſchenräumen zu trinken ver¬
langte. Gegen Morgen war Oswald eingeſchlafen;
Bruno weckte ihn, als die Sonne eine Stunde über
dem Horizont war.
„Oswald, ich kann Dich nicht länger ſchlafen
laſſen, ſo leid es mir thut. Du mußt in den Garten,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/206>, abgerufen am 17.06.2024.
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