Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.Er trocknete sich seine Stirn; sein ernstes Gesicht Doctor Braun untersuchte den Kranken, dann blieb "Ist keine Hoffnung?" "Keine." Da richtete sich Bruno halb auf: "Bist Du's, Mutter? kommst mich einzulullen? Und in wunderbar süßen Tönen, leise, ganz leise, Er lehnte sich wieder in das Kissen zurück. Durch "Bist Du es, Oswald?" fragte Bruno, "weshalb Er trocknete ſich ſeine Stirn; ſein ernſtes Geſicht Doctor Braun unterſuchte den Kranken, dann blieb „Iſt keine Hoffnung?“ „Keine.“ Da richtete ſich Bruno halb auf: „Biſt Du's, Mutter? kommſt mich einzulullen? Und in wunderbar ſüßen Tönen, leiſe, ganz leiſe, Er lehnte ſich wieder in das Kiſſen zurück. Durch „Biſt Du es, Oswald?“ fragte Bruno, „weshalb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0293" n="283"/> <p>Er trocknete ſich ſeine Stirn; ſein ernſtes Geſicht<lb/> war bleich; er ſchien auf's Tiefſte ergriffen.</p><lb/> <p>Doctor Braun unterſuchte den Kranken, dann blieb<lb/> er neben dem Bett ſtehen, ohne die Andern anzu¬<lb/> blicken.</p><lb/> <p>„Iſt keine Hoffnung?“</p><lb/> <p>„Keine.“</p><lb/> <p>Da richtete ſich Bruno halb auf:</p><lb/> <p>„Biſt Du's, Mutter? kommſt mich einzulullen?<lb/> wie geht doch noch die alte Weiſe?“</p><lb/> <p>Und in wunderbar ſüßen Tönen, leiſe, ganz leiſe,<lb/> wie die Klänge einer Aeolsharfe, begann er ein ſchwe¬<lb/> diſches Lied zu ſingen, wie es ihm wol ſeine Mutter<lb/> vor langen Jahren geſungen haben mochte.</p><lb/> <p>Er lehnte ſich wieder in das Kiſſen zurück. Durch<lb/> die tiefe Stille im Zimmer tönte nur das Schluchzen<lb/> Oswalds; auch die Augen der beiden andern Männer<lb/> ſtanden voll Thränen.</p><lb/> <p>„Biſt Du es, Oswald?“ fragte Bruno, „weshalb<lb/> weinſt Du? guten Abend, Herr Doctor; wo kommen<lb/> Sie her? es geht wol zu Ende mit mir? Wo iſt<lb/> Baron Oldenburg? Geben Sie mir die Hand. Sie<lb/> ſind ſehr gut gegen mich geweſen. Doctor, muß ich<lb/> ſterben? Ja? — ſagen Sie es mir, ich bin kein<lb/> Feigling, ich habe es ſchon ſeit geſtern gewußt; muß ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [283/0293]
Er trocknete ſich ſeine Stirn; ſein ernſtes Geſicht
war bleich; er ſchien auf's Tiefſte ergriffen.
Doctor Braun unterſuchte den Kranken, dann blieb
er neben dem Bett ſtehen, ohne die Andern anzu¬
blicken.
„Iſt keine Hoffnung?“
„Keine.“
Da richtete ſich Bruno halb auf:
„Biſt Du's, Mutter? kommſt mich einzulullen?
wie geht doch noch die alte Weiſe?“
Und in wunderbar ſüßen Tönen, leiſe, ganz leiſe,
wie die Klänge einer Aeolsharfe, begann er ein ſchwe¬
diſches Lied zu ſingen, wie es ihm wol ſeine Mutter
vor langen Jahren geſungen haben mochte.
Er lehnte ſich wieder in das Kiſſen zurück. Durch
die tiefe Stille im Zimmer tönte nur das Schluchzen
Oswalds; auch die Augen der beiden andern Männer
ſtanden voll Thränen.
„Biſt Du es, Oswald?“ fragte Bruno, „weshalb
weinſt Du? guten Abend, Herr Doctor; wo kommen
Sie her? es geht wol zu Ende mit mir? Wo iſt
Baron Oldenburg? Geben Sie mir die Hand. Sie
ſind ſehr gut gegen mich geweſen. Doctor, muß ich
ſterben? Ja? — ſagen Sie es mir, ich bin kein
Feigling, ich habe es ſchon ſeit geſtern gewußt; muß ich
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