hin. Ihre unendliche Güte verdiente wohl einen besseren Lohn als kalten Marmor."
"Oder Marmorkälte?" sagte Oldenburg lächelnd.
"Die empfinde ich nicht gegen Sie, Oldenburg," sagte Melitta mit Wärme; "wahrhaftig nicht. Ich liebe Sie wie einen um ein paar Jahre älteren Bruder, der halb und halb Vaterstelle an uns ver¬ treten hat, und zu dem wir mit freudiger Verehrung und Dankbarkeit emporblicken. Es ist unser Schicksal, daß Sie mich mit einer anderen Liebe lieben müssen, daß ich Sie mit keiner andern Liebe lieben kann."
"Es ist unser Schicksal, Melitta, ja wohl! und nun lassen Sie uns nicht weiter davon sprechen. Gegen das Schicksal läßt sich nichts thun. Wir kön¬ nen nur das Haupt beugen, und die Lorbeerkrone oder den Todesstreich schweigend entgegen nehmen. Das habe ich in den letzten Tagen lernen können, wenn ich es sonst noch nicht gewußt hätte. Und nun, Melitta, da Du mich selbst Deinen Bruder genannt hast, laß mich auch wie ein Bruder mit Dir sprechen. Darf ich?"
"Ja;" sagte Melitta, die den Kopf bei diesen letzten Worten Oldenburg's gesenkt hatte, leise nach einer kleinen Pause.
F. Spielhagen, Problematische Naturen. IV. 19
hin. Ihre unendliche Güte verdiente wohl einen beſſeren Lohn als kalten Marmor.“
„Oder Marmorkälte?“ ſagte Oldenburg lächelnd.
„Die empfinde ich nicht gegen Sie, Oldenburg,“ ſagte Melitta mit Wärme; „wahrhaftig nicht. Ich liebe Sie wie einen um ein paar Jahre älteren Bruder, der halb und halb Vaterſtelle an uns ver¬ treten hat, und zu dem wir mit freudiger Verehrung und Dankbarkeit emporblicken. Es iſt unſer Schickſal, daß Sie mich mit einer anderen Liebe lieben müſſen, daß ich Sie mit keiner andern Liebe lieben kann.“
„Es iſt unſer Schickſal, Melitta, ja wohl! und nun laſſen Sie uns nicht weiter davon ſprechen. Gegen das Schickſal läßt ſich nichts thun. Wir kön¬ nen nur das Haupt beugen, und die Lorbeerkrone oder den Todesſtreich ſchweigend entgegen nehmen. Das habe ich in den letzten Tagen lernen können, wenn ich es ſonſt noch nicht gewußt hätte. Und nun, Melitta, da Du mich ſelbſt Deinen Bruder genannt haſt, laß mich auch wie ein Bruder mit Dir ſprechen. Darf ich?“
„Ja;“ ſagte Melitta, die den Kopf bei dieſen letzten Worten Oldenburg's geſenkt hatte, leiſe nach einer kleinen Pauſe.
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 19
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hin. Ihre unendliche Güte verdiente wohl einen
beſſeren Lohn als kalten Marmor.“
„Oder Marmorkälte?“ ſagte Oldenburg lächelnd.
„Die empfinde ich nicht gegen Sie, Oldenburg,“
ſagte Melitta mit Wärme; „wahrhaftig nicht. Ich
liebe Sie wie einen um ein paar Jahre älteren
Bruder, der halb und halb Vaterſtelle an uns ver¬
treten hat, und zu dem wir mit freudiger Verehrung
und Dankbarkeit emporblicken. Es iſt unſer Schickſal,
daß Sie mich mit einer anderen Liebe lieben müſſen,
daß ich Sie mit keiner andern Liebe lieben kann.“
„Es iſt unſer Schickſal, Melitta, ja wohl! und
nun laſſen Sie uns nicht weiter davon ſprechen.
Gegen das Schickſal läßt ſich nichts thun. Wir kön¬
nen nur das Haupt beugen, und die Lorbeerkrone oder
den Todesſtreich ſchweigend entgegen nehmen. Das
habe ich in den letzten Tagen lernen können, wenn ich
es ſonſt noch nicht gewußt hätte. Und nun, Melitta,
da Du mich ſelbſt Deinen Bruder genannt haſt, laß
mich auch wie ein Bruder mit Dir ſprechen. Darf
ich?“
„Ja;“ ſagte Melitta, die den Kopf bei dieſen
letzten Worten Oldenburg's geſenkt hatte, leiſe nach
einer kleinen Pauſe.
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 19
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/299>, abgerufen am 29.06.2024.
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