Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Saal schaffen. Herr Timm hat sich erboten,
zu spielen; ich wollte mir erlauben, die gnädige Frau
um den ersten Tanz zu bitten, im Fall Sie sich noch
nicht versagt haben."

"Ich mich versagt? Bewahre! die Zeiten sind vor¬
über, wo ich auf Wochen voraus zu jedem Tanz en¬
gagirt war. Ich überlasse das jetzt den Jüngeren."

"Sie belieben zu scherzen."

"Keineswegs. Sie sind der Erste und weil ich
fürchte, daß Sie auch der Letzte sein werden, will ich
lieber gar nicht anfangen, sondern Sie bitten, sich ein
wenig zu mir zu setzen, und die Zeit, die Sie mit
mir vertanzen wollten, in aller Ruhe zu verplaudern.
Ist es Ihnen recht?"

"Die Frage beantwortet sich selbst," sagte Os¬
wald, Hortense einen Stuhl herbeiziehend.

"Setzen Sie sich auch!" sagte diese. "Ich höre,
Herr Doctor; Sie haben ein großes Talent zur Sa¬
tire; lassen Sie mich eine Probe dieses Talentes hören;
an Stoff kann's Ihnen ja nicht fehlen, wenn Sie
von unserem Standpunkt aus einen Blick auf die Ge¬
sellschaft hier im Saale werfen. Welche von den
Damen halten Sie für die hübscheste?"

"Sie meinen die am wenigsten häßliche?"

"Sie Spötter! Freilich, außer einigen erträglichen

in den Saal ſchaffen. Herr Timm hat ſich erboten,
zu ſpielen; ich wollte mir erlauben, die gnädige Frau
um den erſten Tanz zu bitten, im Fall Sie ſich noch
nicht verſagt haben.“

„Ich mich verſagt? Bewahre! die Zeiten ſind vor¬
über, wo ich auf Wochen voraus zu jedem Tanz en¬
gagirt war. Ich überlaſſe das jetzt den Jüngeren.“

„Sie belieben zu ſcherzen.“

„Keineswegs. Sie ſind der Erſte und weil ich
fürchte, daß Sie auch der Letzte ſein werden, will ich
lieber gar nicht anfangen, ſondern Sie bitten, ſich ein
wenig zu mir zu ſetzen, und die Zeit, die Sie mit
mir vertanzen wollten, in aller Ruhe zu verplaudern.
Iſt es Ihnen recht?“

„Die Frage beantwortet ſich ſelbſt,“ ſagte Os¬
wald, Hortenſe einen Stuhl herbeiziehend.

„Setzen Sie ſich auch!“ ſagte dieſe. „Ich höre,
Herr Doctor; Sie haben ein großes Talent zur Sa¬
tire; laſſen Sie mich eine Probe dieſes Talentes hören;
an Stoff kann's Ihnen ja nicht fehlen, wenn Sie
von unſerem Standpunkt aus einen Blick auf die Ge¬
ſellſchaft hier im Saale werfen. Welche von den
Damen halten Sie für die hübſcheſte?“

„Sie meinen die am wenigſten häßliche?“

„Sie Spötter! Freilich, außer einigen erträglichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="56"/>
in den Saal &#x017F;chaffen. Herr Timm hat &#x017F;ich erboten,<lb/>
zu &#x017F;pielen; ich wollte mir erlauben, die gnädige Frau<lb/>
um den er&#x017F;ten Tanz zu bitten, im Fall Sie &#x017F;ich noch<lb/>
nicht ver&#x017F;agt haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich mich ver&#x017F;agt? Bewahre! die Zeiten &#x017F;ind vor¬<lb/>
über, wo ich auf Wochen voraus zu jedem Tanz en¬<lb/>
gagirt war. Ich überla&#x017F;&#x017F;e das jetzt den Jüngeren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie belieben zu &#x017F;cherzen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Keineswegs. Sie &#x017F;ind der Er&#x017F;te und weil ich<lb/>
fürchte, daß Sie auch der Letzte &#x017F;ein werden, will ich<lb/>
lieber gar nicht anfangen, &#x017F;ondern Sie bitten, &#x017F;ich ein<lb/>
wenig zu mir zu &#x017F;etzen, und die Zeit, die Sie mit<lb/>
mir vertanzen wollten, in aller Ruhe zu verplaudern.<lb/>
I&#x017F;t es Ihnen recht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Frage beantwortet &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agte Os¬<lb/>
wald, Horten&#x017F;e einen Stuhl herbeiziehend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Setzen Sie &#x017F;ich auch!&#x201C; &#x017F;agte die&#x017F;e. &#x201E;Ich höre,<lb/>
Herr Doctor; Sie haben ein großes Talent zur Sa¬<lb/>
tire; la&#x017F;&#x017F;en Sie mich eine Probe die&#x017F;es Talentes hören;<lb/>
an Stoff kann's Ihnen ja nicht fehlen, wenn Sie<lb/>
von un&#x017F;erem Standpunkt aus einen Blick auf die Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft hier im Saale werfen. Welche von den<lb/>
Damen halten Sie für die hüb&#x017F;che&#x017F;te?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie meinen die am wenig&#x017F;ten häßliche?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie Spötter! Freilich, außer einigen erträglichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0066] in den Saal ſchaffen. Herr Timm hat ſich erboten, zu ſpielen; ich wollte mir erlauben, die gnädige Frau um den erſten Tanz zu bitten, im Fall Sie ſich noch nicht verſagt haben.“ „Ich mich verſagt? Bewahre! die Zeiten ſind vor¬ über, wo ich auf Wochen voraus zu jedem Tanz en¬ gagirt war. Ich überlaſſe das jetzt den Jüngeren.“ „Sie belieben zu ſcherzen.“ „Keineswegs. Sie ſind der Erſte und weil ich fürchte, daß Sie auch der Letzte ſein werden, will ich lieber gar nicht anfangen, ſondern Sie bitten, ſich ein wenig zu mir zu ſetzen, und die Zeit, die Sie mit mir vertanzen wollten, in aller Ruhe zu verplaudern. Iſt es Ihnen recht?“ „Die Frage beantwortet ſich ſelbſt,“ ſagte Os¬ wald, Hortenſe einen Stuhl herbeiziehend. „Setzen Sie ſich auch!“ ſagte dieſe. „Ich höre, Herr Doctor; Sie haben ein großes Talent zur Sa¬ tire; laſſen Sie mich eine Probe dieſes Talentes hören; an Stoff kann's Ihnen ja nicht fehlen, wenn Sie von unſerem Standpunkt aus einen Blick auf die Ge¬ ſellſchaft hier im Saale werfen. Welche von den Damen halten Sie für die hübſcheſte?“ „Sie meinen die am wenigſten häßliche?“ „Sie Spötter! Freilich, außer einigen erträglichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/66
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/66>, abgerufen am 22.12.2024.