dieselben schlechten Hände giebt, aus denen ich sie mit so viel Mühe glücklich erlöst zu haben glaubte. Wenn Melitta nicht so gut ist, wie sie sein könnte -- Ol¬ denburg allein hat es auf dem Gewissen. Er hat ihr, als sie noch ein junges Mädchen war, mit seinen tollen Ideen den Kopf verdreht, daß sie zuletzt nicht mehr Recht von Unrecht unterscheiden konnte. Er hat, als sie endlich die ausgezeichnete Partie mit Herrn von Berkow gemacht hatte, das ganze, im An¬ fang so schöne Verhältniß zerstört; und wenn Berkow zuletzt vor Eifersucht toll geworden ist, es kann Nie¬ manden verwundern, der es, wie ich, mit angesehen hat, wie es die Beiden trieben. Endlich gelang es mir, bei Melitta auszuwirken, daß sie Oldenburg auf einige Zeit wenigstens fortschickte. Er ging; aber, als wir vor ein paar Jahren Italien bereisten, stellte sich Oldenburg wieder ein -- ob zufällig, ob von Melitta herbeigerufen -- ich lasse es unentschieden. Nach ihrem Benehmen sollte ich freilich das Letztere ver¬ muthen. Das alte Lied begann von Neuem. Ein¬ same Promenaden, Austausch von Liebesschwüren, wo¬ bei sie sich selbst durch die Anwesenheit dritter Per¬ sonen nicht geniren ließen -- mit einem Worte: es war für Jemand, die, wie ich, etwas streng in solchen Sachen denkt und die, wie ich, Melitta noch dazu so
dieſelben ſchlechten Hände giebt, aus denen ich ſie mit ſo viel Mühe glücklich erlöſt zu haben glaubte. Wenn Melitta nicht ſo gut iſt, wie ſie ſein könnte — Ol¬ denburg allein hat es auf dem Gewiſſen. Er hat ihr, als ſie noch ein junges Mädchen war, mit ſeinen tollen Ideen den Kopf verdreht, daß ſie zuletzt nicht mehr Recht von Unrecht unterſcheiden konnte. Er hat, als ſie endlich die ausgezeichnete Partie mit Herrn von Berkow gemacht hatte, das ganze, im An¬ fang ſo ſchöne Verhältniß zerſtört; und wenn Berkow zuletzt vor Eiferſucht toll geworden iſt, es kann Nie¬ manden verwundern, der es, wie ich, mit angeſehen hat, wie es die Beiden trieben. Endlich gelang es mir, bei Melitta auszuwirken, daß ſie Oldenburg auf einige Zeit wenigſtens fortſchickte. Er ging; aber, als wir vor ein paar Jahren Italien bereiſten, ſtellte ſich Oldenburg wieder ein — ob zufällig, ob von Melitta herbeigerufen — ich laſſe es unentſchieden. Nach ihrem Benehmen ſollte ich freilich das Letztere ver¬ muthen. Das alte Lied begann von Neuem. Ein¬ ſame Promenaden, Austauſch von Liebesſchwüren, wo¬ bei ſie ſich ſelbſt durch die Anweſenheit dritter Per¬ ſonen nicht geniren ließen — mit einem Worte: es war für Jemand, die, wie ich, etwas ſtreng in ſolchen Sachen denkt und die, wie ich, Melitta noch dazu ſo
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dieſelben ſchlechten Hände giebt, aus denen ich ſie mit
ſo viel Mühe glücklich erlöſt zu haben glaubte. Wenn
Melitta nicht ſo gut iſt, wie ſie ſein könnte — Ol¬
denburg allein hat es auf dem Gewiſſen. Er hat ihr,
als ſie noch ein junges Mädchen war, mit ſeinen
tollen Ideen den Kopf verdreht, daß ſie zuletzt nicht
mehr Recht von Unrecht unterſcheiden konnte. Er
hat, als ſie endlich die ausgezeichnete Partie mit
Herrn von Berkow gemacht hatte, das ganze, im An¬
fang ſo ſchöne Verhältniß zerſtört; und wenn Berkow
zuletzt vor Eiferſucht toll geworden iſt, es kann Nie¬
manden verwundern, der es, wie ich, mit angeſehen
hat, wie es die Beiden trieben. Endlich gelang es
mir, bei Melitta auszuwirken, daß ſie Oldenburg auf
einige Zeit wenigſtens fortſchickte. Er ging; aber, als
wir vor ein paar Jahren Italien bereiſten, ſtellte ſich
Oldenburg wieder ein — ob zufällig, ob von Melitta
herbeigerufen — ich laſſe es unentſchieden. Nach
ihrem Benehmen ſollte ich freilich das Letztere ver¬
muthen. Das alte Lied begann von Neuem. Ein¬
ſame Promenaden, Austauſch von Liebesſchwüren, wo¬
bei ſie ſich ſelbſt durch die Anweſenheit dritter Per¬
ſonen nicht geniren ließen — mit einem Worte: es
war für Jemand, die, wie ich, etwas ſtreng in ſolchen
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/70>, abgerufen am 22.12.2024.
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