"Ich habe in aller Stille über das, was Sie mir vorhin sagten, nachgedacht, Herr von Cloten," ant¬ wortete Emilie.
"Wahrhaftig! Sie sind ein Engel! und ich darf hoffen!" fragte von Cloten, der die gerötheten Augen¬ lieder und das aufgeregte Wesen des jungen Mädchens natürlich zu seinen Gunsten auslegte.
"Gehen Sie zu meiner Tante!"
"Wirklich? wahrhaftig? ich kann es nicht glauben!" rief der junge Mann, und sein freudiger Schrecken war keineswegs gemacht.
"So gehen Sie nicht hin!" antwortete Fräulein Emilie in einem Ton, der jeden Unbefangenen um die Festigkeit des Bundes, der hier geschlossen werden sollte, bange gemacht hätte.
"Mein Gott, Emilie, Engel, zürnen Sie nicht! ich eile, ich fliege --"
Und Herr von Cloten entfernte sich in augen¬ scheinlichster Verwirrung, um Emiliens Tante aufzu¬ suchen.
Emilie blieb auf demselben Platze stehen, bleich, die Arme verschränkt, die großen Augen starr auf die Gruppen der Tanzenden geheftet, ohne mehr zu sehen, als wenn sie die Blicke in's Leere gerichtet hätte.
„Ich habe in aller Stille über das, was Sie mir vorhin ſagten, nachgedacht, Herr von Cloten,“ ant¬ wortete Emilie.
„Wahrhaftig! Sie ſind ein Engel! und ich darf hoffen!“ fragte von Cloten, der die gerötheten Augen¬ lieder und das aufgeregte Weſen des jungen Mädchens natürlich zu ſeinen Gunſten auslegte.
„Gehen Sie zu meiner Tante!“
„Wirklich? wahrhaftig? ich kann es nicht glauben!“ rief der junge Mann, und ſein freudiger Schrecken war keineswegs gemacht.
„So gehen Sie nicht hin!“ antwortete Fräulein Emilie in einem Ton, der jeden Unbefangenen um die Feſtigkeit des Bundes, der hier geſchloſſen werden ſollte, bange gemacht hätte.
„Mein Gott, Emilie, Engel, zürnen Sie nicht! ich eile, ich fliege —“
Und Herr von Cloten entfernte ſich in augen¬ ſcheinlichſter Verwirrung, um Emiliens Tante aufzu¬ ſuchen.
Emilie blieb auf demſelben Platze ſtehen, bleich, die Arme verſchränkt, die großen Augen ſtarr auf die Gruppen der Tanzenden geheftet, ohne mehr zu ſehen, als wenn ſie die Blicke in's Leere gerichtet hätte.
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„Ich habe in aller Stille über das, was Sie mir
vorhin ſagten, nachgedacht, Herr von Cloten,“ ant¬
wortete Emilie.
„Wahrhaftig! Sie ſind ein Engel! und ich darf
hoffen!“ fragte von Cloten, der die gerötheten Augen¬
lieder und das aufgeregte Weſen des jungen Mädchens
natürlich zu ſeinen Gunſten auslegte.
„Gehen Sie zu meiner Tante!“
„Wirklich? wahrhaftig? ich kann es nicht glauben!“
rief der junge Mann, und ſein freudiger Schrecken
war keineswegs gemacht.
„So gehen Sie nicht hin!“ antwortete Fräulein
Emilie in einem Ton, der jeden Unbefangenen um
die Feſtigkeit des Bundes, der hier geſchloſſen werden
ſollte, bange gemacht hätte.
„Mein Gott, Emilie, Engel, zürnen Sie nicht!
ich eile, ich fliege —“
Und Herr von Cloten entfernte ſich in augen¬
ſcheinlichſter Verwirrung, um Emiliens Tante aufzu¬
ſuchen.
Emilie blieb auf demſelben Platze ſtehen, bleich,
die Arme verſchränkt, die großen Augen ſtarr auf die
Gruppen der Tanzenden geheftet, ohne mehr zu ſehen,
als wenn ſie die Blicke in's Leere gerichtet hätte.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/82>, abgerufen am 26.06.2024.
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