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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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aus einem tiefen Schlafe zu erwachen, und konnte
wieder vernünftig reden und denken. Er war äu-
serst schwach, aber er versicherte alle, daß er von
seinem Wahnsinne ganz befreit sei, und ganz
wohl einsähe, daß die Brust eines Menschen nicht
von Glase seyn könne. Er bereitete sich standhaft
zum nahen Tode, lebte noch drei Tage bei voll-
kommnem Verstande, wie aber in der Nacht zum
vierten sein Todeskampf begann, da schien mit
diesem auch sein Wahnsinn rückzukehren. Oefnet
meinen Sarg nicht, damit die Leute nicht in mei-
nem Herzen lesen können! Dies waren seine letz-
ten Worte, mit welchen er verschied!



Friedrich M**r
und
seine Familie
.


Friedrich war der Sohn eines Landpfarrers zu
W --. Sein Vater starb, als er auf der Schule
studierte, er hinterließ kein Vermögen, und die
arme Mutter war nicht im Stande, ihren Sohn
länger zu unterstützen, sie brachte ihn bei einem
alten Staffirer und Vergolder in die Lehre, wel-
cher ihm nicht allein seine Kunst zu lernen, son-
dern auch, da er keine Kinder hatte, väterlich zu

aus einem tiefen Schlafe zu erwachen, und konnte
wieder vernuͤnftig reden und denken. Er war aͤu-
ſerſt ſchwach, aber er verſicherte alle, daß er von
ſeinem Wahnſinne ganz befreit ſei, und ganz
wohl einſaͤhe, daß die Bruſt eines Menſchen nicht
von Glaſe ſeyn koͤnne. Er bereitete ſich ſtandhaft
zum nahen Tode, lebte noch drei Tage bei voll-
kommnem Verſtande, wie aber in der Nacht zum
vierten ſein Todeskampf begann, da ſchien mit
dieſem auch ſein Wahnſinn ruͤckzukehren. Oefnet
meinen Sarg nicht, damit die Leute nicht in mei-
nem Herzen leſen koͤnnen! Dies waren ſeine letz-
ten Worte, mit welchen er verſchied!



Friedrich M**r
und
ſeine Familie
.


Friedrich war der Sohn eines Landpfarrers zu
W —. Sein Vater ſtarb, als er auf der Schule
ſtudierte, er hinterließ kein Vermoͤgen, und die
arme Mutter war nicht im Stande, ihren Sohn
laͤnger zu unterſtuͤtzen, ſie brachte ihn bei einem
alten Staffirer und Vergolder in die Lehre, wel-
cher ihm nicht allein ſeine Kunſt zu lernen, ſon-
dern auch, da er keine Kinder hatte, vaͤterlich zu

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[121/0135] aus einem tiefen Schlafe zu erwachen, und konnte wieder vernuͤnftig reden und denken. Er war aͤu- ſerſt ſchwach, aber er verſicherte alle, daß er von ſeinem Wahnſinne ganz befreit ſei, und ganz wohl einſaͤhe, daß die Bruſt eines Menſchen nicht von Glaſe ſeyn koͤnne. Er bereitete ſich ſtandhaft zum nahen Tode, lebte noch drei Tage bei voll- kommnem Verſtande, wie aber in der Nacht zum vierten ſein Todeskampf begann, da ſchien mit dieſem auch ſein Wahnſinn ruͤckzukehren. Oefnet meinen Sarg nicht, damit die Leute nicht in mei- nem Herzen leſen koͤnnen! Dies waren ſeine letz- ten Worte, mit welchen er verſchied! Friedrich M**r und ſeine Familie. Friedrich war der Sohn eines Landpfarrers zu W —. Sein Vater ſtarb, als er auf der Schule ſtudierte, er hinterließ kein Vermoͤgen, und die arme Mutter war nicht im Stande, ihren Sohn laͤnger zu unterſtuͤtzen, ſie brachte ihn bei einem alten Staffirer und Vergolder in die Lehre, wel- cher ihm nicht allein ſeine Kunſt zu lernen, ſon- dern auch, da er keine Kinder hatte, vaͤterlich zu

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/135>, abgerufen am 26.11.2024.