Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

und seine Familie redlich ernähren konnte, nach
dieser Zeit schien ihn das Glück zu fliehen, meh-
rere Glieder seiner Kunst wohnten jetzt in A --;
um so bekannt wie er zu werden, arbeiteten sie
sehr wohlfeil, und zwangen Friedrichen ein glei-
ches zu thun, wenn er anders nicht jede Arbeit
verliehren wollte. Oft gewann er zum niedrig-
sten Preise herabgesetzt, gar nichts, oft verlohr er
dabei, und mußte in jedem Falle von dem erspar-
ten Kapital leben, das auf diese Art bald über
die Hälfte schmolz. Wie sich nie eine bessere
Aussicht öfnete, und sogar noch schlimmere Zei-
ten drohten, verließ er die Stadt A --, und zog
mit seiner Familie nach N -- g, wo er mit Rech-
te mehrere Arbeit und Verdienst erwarten konnte.
Er fand beides in so weit, daß er wenigstens
nichts mehr zusetzen, und vom Lohne der tägli-
chen Arbeit sich und seine Familie ernähren konn-
te. Er lebte sechs Jahre zu N --, und stand
bei allen, die ihn kannten, im Rufe eines redli-
chen Mannes.

Um diese Zeit wurde einem reichen Kaufman-
ne aus seiner Schreibstube eine eiserne Kasse, wor-
inne einige tausend Thaler lagen, bei Nachtzeit
gestohlen. Der Kaufmann warf Argwohn auf sei-
nen Hausknecht, welcher unfern der Stube schlief,
und seit einiger Zeit Bekanntschaft mit einem Sol-
daten gemacht hatte, der ihn öfters besuchte, und
sogar in Gegenwart eines Handlungsbedienten

und ſeine Familie redlich ernaͤhren konnte, nach
dieſer Zeit ſchien ihn das Gluͤck zu fliehen, meh-
rere Glieder ſeiner Kunſt wohnten jetzt in A —;
um ſo bekannt wie er zu werden, arbeiteten ſie
ſehr wohlfeil, und zwangen Friedrichen ein glei-
ches zu thun, wenn er anders nicht jede Arbeit
verliehren wollte. Oft gewann er zum niedrig-
ſten Preiſe herabgeſetzt, gar nichts, oft verlohr er
dabei, und mußte in jedem Falle von dem erſpar-
ten Kapital leben, das auf dieſe Art bald uͤber
die Haͤlfte ſchmolz. Wie ſich nie eine beſſere
Ausſicht oͤfnete, und ſogar noch ſchlimmere Zei-
ten drohten, verließ er die Stadt A —, und zog
mit ſeiner Familie nach N — g, wo er mit Rech-
te mehrere Arbeit und Verdienſt erwarten konnte.
Er fand beides in ſo weit, daß er wenigſtens
nichts mehr zuſetzen, und vom Lohne der taͤgli-
chen Arbeit ſich und ſeine Familie ernaͤhren konn-
te. Er lebte ſechs Jahre zu N —, und ſtand
bei allen, die ihn kannten, im Rufe eines redli-
chen Mannes.

Um dieſe Zeit wurde einem reichen Kaufman-
ne aus ſeiner Schreibſtube eine eiſerne Kaſſe, wor-
inne einige tauſend Thaler lagen, bei Nachtzeit
geſtohlen. Der Kaufmann warf Argwohn auf ſei-
nen Hausknecht, welcher unfern der Stube ſchlief,
und ſeit einiger Zeit Bekanntſchaft mit einem Sol-
daten gemacht hatte, der ihn oͤfters beſuchte, und
ſogar in Gegenwart eines Handlungsbedienten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="123"/>
und &#x017F;eine Familie redlich erna&#x0364;hren konnte,                     nach<lb/>
die&#x017F;er Zeit &#x017F;chien ihn das Glu&#x0364;ck zu fliehen, meh-<lb/>
rere Glieder                     &#x017F;einer Kun&#x017F;t wohnten jetzt in A &#x2014;;<lb/>
um &#x017F;o bekannt wie er zu werden,                     arbeiteten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehr wohlfeil, und zwangen Friedrichen ein glei-<lb/>
ches zu                     thun, wenn er anders nicht jede Arbeit<lb/>
verliehren wollte. Oft gewann er zum                     niedrig-<lb/>
&#x017F;ten Prei&#x017F;e herabge&#x017F;etzt, gar nichts, oft verlohr er<lb/>
dabei, und                     mußte in jedem Falle von dem er&#x017F;par-<lb/>
ten Kapital leben, das auf die&#x017F;e Art                     bald u&#x0364;ber<lb/>
die Ha&#x0364;lfte &#x017F;chmolz. Wie &#x017F;ich nie eine be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Aus&#x017F;icht                     o&#x0364;fnete, und &#x017F;ogar noch &#x017F;chlimmere Zei-<lb/>
ten drohten, verließ er die Stadt A                     &#x2014;, und zog<lb/>
mit &#x017F;einer Familie nach N &#x2014; g, wo er mit Rech-<lb/>
te mehrere                     Arbeit und Verdien&#x017F;t erwarten konnte.<lb/>
Er fand beides in &#x017F;o weit, daß er                     wenig&#x017F;tens<lb/>
nichts mehr zu&#x017F;etzen, und vom Lohne der ta&#x0364;gli-<lb/>
chen Arbeit                     &#x017F;ich und &#x017F;eine Familie erna&#x0364;hren konn-<lb/>
te. Er lebte &#x017F;echs Jahre zu N &#x2014;, und                     &#x017F;tand<lb/>
bei allen, die ihn kannten, im Rufe eines redli-<lb/>
chen Mannes.</p><lb/>
        <p>Um die&#x017F;e Zeit wurde einem reichen Kaufman-<lb/>
ne aus &#x017F;einer Schreib&#x017F;tube eine                     ei&#x017F;erne Ka&#x017F;&#x017F;e, wor-<lb/>
inne einige tau&#x017F;end Thaler lagen, bei                     Nachtzeit<lb/>
ge&#x017F;tohlen. Der Kaufmann warf Argwohn auf &#x017F;ei-<lb/>
nen Hausknecht,                     welcher unfern der Stube &#x017F;chlief,<lb/>
und &#x017F;eit einiger Zeit Bekannt&#x017F;chaft mit                     einem Sol-<lb/>
daten gemacht hatte, der ihn o&#x0364;fters be&#x017F;uchte, und<lb/>
&#x017F;ogar in                     Gegenwart eines Handlungsbedienten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0137] und ſeine Familie redlich ernaͤhren konnte, nach dieſer Zeit ſchien ihn das Gluͤck zu fliehen, meh- rere Glieder ſeiner Kunſt wohnten jetzt in A —; um ſo bekannt wie er zu werden, arbeiteten ſie ſehr wohlfeil, und zwangen Friedrichen ein glei- ches zu thun, wenn er anders nicht jede Arbeit verliehren wollte. Oft gewann er zum niedrig- ſten Preiſe herabgeſetzt, gar nichts, oft verlohr er dabei, und mußte in jedem Falle von dem erſpar- ten Kapital leben, das auf dieſe Art bald uͤber die Haͤlfte ſchmolz. Wie ſich nie eine beſſere Ausſicht oͤfnete, und ſogar noch ſchlimmere Zei- ten drohten, verließ er die Stadt A —, und zog mit ſeiner Familie nach N — g, wo er mit Rech- te mehrere Arbeit und Verdienſt erwarten konnte. Er fand beides in ſo weit, daß er wenigſtens nichts mehr zuſetzen, und vom Lohne der taͤgli- chen Arbeit ſich und ſeine Familie ernaͤhren konn- te. Er lebte ſechs Jahre zu N —, und ſtand bei allen, die ihn kannten, im Rufe eines redli- chen Mannes. Um dieſe Zeit wurde einem reichen Kaufman- ne aus ſeiner Schreibſtube eine eiſerne Kaſſe, wor- inne einige tauſend Thaler lagen, bei Nachtzeit geſtohlen. Der Kaufmann warf Argwohn auf ſei- nen Hausknecht, welcher unfern der Stube ſchlief, und ſeit einiger Zeit Bekanntſchaft mit einem Sol- daten gemacht hatte, der ihn oͤfters beſuchte, und ſogar in Gegenwart eines Handlungsbedienten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/137
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/137>, abgerufen am 25.11.2024.