Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.seiner Leiden folgte bald nach, er gedachte seines ſeiner Leiden folgte bald nach, er gedachte ſeines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="150"/> ſeiner Leiden folgte bald nach, er gedachte ſeines<lb/> Gefaͤngniſſes eben ſo wenig wie ſeines verſtorb-<lb/> nen Weibes. Er ſuchte abſichtlich die Geſellſchaft<lb/> der kleinen Kinder, und waͤhnte ſich gluͤcklich,<lb/> wenn er in ihrer Mitte ſitzen, und mit ihnen ſpie-<lb/> len konnte. Er weinte gleich dieſen uͤber den<lb/> Verluſt eines Spielwerks, als aber bald nachher<lb/> ſeine Tochter ſtarb, ſo vergoß er keine Thraͤne.<lb/> Seine uͤbrigen Kinder fuͤhrten ihn hinter ihrem<lb/> Sarge, er folgte geduldig, und ſpielte mit kleinen<lb/> Steinchen, welche er in die Hoͤhe warf, und wie-<lb/> der zu fangen ſuchte. Als man ihren Sarg mit<lb/> Erde bedeckte, da gukte er neugierig hinab, und<lb/> lachte herzlich, weil ſich, nach ſeinem kindiſchen<lb/> Ausdrucke, das große Loch ſo geſchwind wieder<lb/> fuͤllte. Nie gedachte er ihrer mehr, ob er ſie gleich<lb/> unter allen ſeinen Kindern am meiſten geliebt hat-<lb/> te. Einer meiner Freunde beſuchte ihn ein Jahr<lb/> nach erhaltener Freiheit, er fand ihn im kleinen<lb/> Hausgarten, wo er oft ganze Tage mit Spielen<lb/> zubrachte. Er ſaß unter einem Obſtbaume, ſeine<lb/> Miene verrieth Freude und Vergnuͤgen, er fidelte<lb/> auf einer kleinen Kindergeige, erzwang die graͤß-<lb/> lichſten Mißtoͤne, und rief doch oft voll Entzuͤcken<lb/> aus: O Jeſus! O Jeſus, das klingt ſchoͤn! Sei-<lb/> ne Soͤhne, welche meinen Freund begleiteten, und<lb/> mit naſſen Augen dem Spiel des Vaters zuſahen,<lb/> hatten ihn ſchon unterrichtet, daß man keine Ant-<lb/> wort von ihm erhalte, wenn man nicht Antheil<lb/> an ſeiner Beſchaͤftigung nehme.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [150/0164]
ſeiner Leiden folgte bald nach, er gedachte ſeines
Gefaͤngniſſes eben ſo wenig wie ſeines verſtorb-
nen Weibes. Er ſuchte abſichtlich die Geſellſchaft
der kleinen Kinder, und waͤhnte ſich gluͤcklich,
wenn er in ihrer Mitte ſitzen, und mit ihnen ſpie-
len konnte. Er weinte gleich dieſen uͤber den
Verluſt eines Spielwerks, als aber bald nachher
ſeine Tochter ſtarb, ſo vergoß er keine Thraͤne.
Seine uͤbrigen Kinder fuͤhrten ihn hinter ihrem
Sarge, er folgte geduldig, und ſpielte mit kleinen
Steinchen, welche er in die Hoͤhe warf, und wie-
der zu fangen ſuchte. Als man ihren Sarg mit
Erde bedeckte, da gukte er neugierig hinab, und
lachte herzlich, weil ſich, nach ſeinem kindiſchen
Ausdrucke, das große Loch ſo geſchwind wieder
fuͤllte. Nie gedachte er ihrer mehr, ob er ſie gleich
unter allen ſeinen Kindern am meiſten geliebt hat-
te. Einer meiner Freunde beſuchte ihn ein Jahr
nach erhaltener Freiheit, er fand ihn im kleinen
Hausgarten, wo er oft ganze Tage mit Spielen
zubrachte. Er ſaß unter einem Obſtbaume, ſeine
Miene verrieth Freude und Vergnuͤgen, er fidelte
auf einer kleinen Kindergeige, erzwang die graͤß-
lichſten Mißtoͤne, und rief doch oft voll Entzuͤcken
aus: O Jeſus! O Jeſus, das klingt ſchoͤn! Sei-
ne Soͤhne, welche meinen Freund begleiteten, und
mit naſſen Augen dem Spiel des Vaters zuſahen,
hatten ihn ſchon unterrichtet, daß man keine Ant-
wort von ihm erhalte, wenn man nicht Antheil
an ſeiner Beſchaͤftigung nehme.
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