Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.Schon war ich fest entschlossen, bis in mein vier Schon war ich feſt entſchloſſen, bis in mein vier <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="165"/> Schon war ich feſt entſchloſſen, bis in mein vier<lb/> und zwanzigſtes Jahr ledig zu bleiben, und dann<lb/> nach eignem Sinne zu waͤhlen, wenn nicht ein<lb/> Zufall meinen Entſchluß vernichtet, und mich auf<lb/> ewig ungluͤcklich gemacht haͤtte. Die Feinde wa-<lb/> ren damals aus dem groͤßten Theile Boͤhmens<lb/> vertrieben worden, und unſre Truppen bezogen<lb/> in unſrer Gegend die ruhigen Winterquartiere.<lb/> Unter den vielen Offizieren, welche rings umher<lb/> lagen, und bald in unſerm Schloſſe Unterhaltung<lb/> ſuchten, befand ſich auch ein Lieutenant des ehe-<lb/> maligen N — Huſarenregiments. Er war von<lb/> Geburt ein Graf aus Ungarn, aber ſehr arm,<lb/> und lebte blos von ſeiner Gage. Wie ich den<lb/> ſchoͤnen, bluͤhenden Juͤngling zum erſtenmale ſah,<lb/> da ward ſchon der Gedanke in mir rege: ſolch<lb/> einen Mann, und du waͤrſt gluͤcklich! Wie ich<lb/> bald hernach deutlich merkte, daß er gleich guͤn-<lb/> ſtig von mir urtheilte, mir uͤberall mit ſchmach-<lb/> tendem Blicke nachſchlich, unter hundert andern<lb/> nur mich allein ſah, da verſchafte ihm mein<lb/> Herz bald Gelegenheit, mir ſeine heftige Liebe<lb/> geſtehen zu koͤnnen; ich hoͤrte das Bekenntniß der-<lb/> ſelben mit innigem Vergnuͤgen, und fuͤhlte mich<lb/> nicht ſtark genug, ſeiner dringenden Bitte um <choice><sic>Ge-<lb/> gegenliebe</sic><corr>Ge-<lb/> genliebe</corr></choice> lange zu widerſtehen. Ich gewaͤhrte<lb/> ſie ihm bald im vollen Maaße, ich liebte ihn mit<lb/> einer Innigkeit, die keiner Beſchreibung faͤhig iſt;<lb/> ich ſah, ich hoͤrte nur ihn, alle andre Maͤnner<lb/> waren mir mehr als gleichguͤltig, ich haßte jeden,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0179]
Schon war ich feſt entſchloſſen, bis in mein vier
und zwanzigſtes Jahr ledig zu bleiben, und dann
nach eignem Sinne zu waͤhlen, wenn nicht ein
Zufall meinen Entſchluß vernichtet, und mich auf
ewig ungluͤcklich gemacht haͤtte. Die Feinde wa-
ren damals aus dem groͤßten Theile Boͤhmens
vertrieben worden, und unſre Truppen bezogen
in unſrer Gegend die ruhigen Winterquartiere.
Unter den vielen Offizieren, welche rings umher
lagen, und bald in unſerm Schloſſe Unterhaltung
ſuchten, befand ſich auch ein Lieutenant des ehe-
maligen N — Huſarenregiments. Er war von
Geburt ein Graf aus Ungarn, aber ſehr arm,
und lebte blos von ſeiner Gage. Wie ich den
ſchoͤnen, bluͤhenden Juͤngling zum erſtenmale ſah,
da ward ſchon der Gedanke in mir rege: ſolch
einen Mann, und du waͤrſt gluͤcklich! Wie ich
bald hernach deutlich merkte, daß er gleich guͤn-
ſtig von mir urtheilte, mir uͤberall mit ſchmach-
tendem Blicke nachſchlich, unter hundert andern
nur mich allein ſah, da verſchafte ihm mein
Herz bald Gelegenheit, mir ſeine heftige Liebe
geſtehen zu koͤnnen; ich hoͤrte das Bekenntniß der-
ſelben mit innigem Vergnuͤgen, und fuͤhlte mich
nicht ſtark genug, ſeiner dringenden Bitte um Ge-
genliebe lange zu widerſtehen. Ich gewaͤhrte
ſie ihm bald im vollen Maaße, ich liebte ihn mit
einer Innigkeit, die keiner Beſchreibung faͤhig iſt;
ich ſah, ich hoͤrte nur ihn, alle andre Maͤnner
waren mir mehr als gleichguͤltig, ich haßte jeden,
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