Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.meine Mutter wirklich in's Kloster, um dort einen meine Mutter wirklich in's Kloſter, um dort einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0184" n="170"/> meine Mutter wirklich in's Kloſter, um dort einen<lb/> Platz fuͤr mich auszumachen, ich ſollte dann mit<lb/> Gewalt dahin gebracht, genau bewacht, und ſo<lb/> lange eingeſperrt bleiben, bis ich mich dem Willen<lb/> der Mutter fuͤgen wuͤrde. Dieſe hoffte uͤberdies<lb/> durch allerhand Scheingruͤnde und durch die Huͤlfe<lb/> ihrer Freunde die Landesſtelle zu bewegen, daß<lb/> ſie mich erſt im dreiſigſten Jahre meines Alters<lb/> großjaͤhrig erklaͤren ſolle. Ich ſtaunte uͤber die<lb/> Kunſtgriffe einer Mutter, welche zur Befriedigung<lb/> ihres Stolzes ihr einziges Kind opfern und ungluͤck-<lb/> lich machen wollte, aber mein Entſchluß war auch<lb/> in der folgenden Nacht ſchon gefaßt. Wie am<lb/> andern Tage meine Mutter wirklich nach dem<lb/> Kloſter verreißte, packte ich alle meine Koſtbar-<lb/> keiten, und etwas weniges an Waͤſche heimlich<lb/> zuſammen, und wanderte am Abende unbemerkt<lb/> zum Schloſſe hinaus. Mein Karl hatte mir zum<lb/> letztenmale geſchrieben, daß er in einem zehn Mei-<lb/> len weit entfernten Staͤdtchen ſtehe, und auf<lb/> Pferde warte, welche er zum Regimente fuͤhren<lb/> muͤſſe. Ich nahm meinen Weg dahin, wanderte<lb/> die ganze Nacht, und langte am zweiten Tage<lb/> gluͤcklich im Staͤdtchen an, ich fand ihn eben an<lb/> ſeinem Schreibtiſche, als er einen Brief von mir<lb/> beantworten wollte. Er flog mir entgegen, ich lag<lb/> ſprachlos in ſeinen Armen, und hatte noch nicht<lb/> einmal die Freude des Wiederſehens gefuͤhlt, als<lb/> ein Wagen durch's Thor herein rollte, ich blickte<lb/> hinab, und ſah meine Mutter, von meinem Onkel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [170/0184]
meine Mutter wirklich in's Kloſter, um dort einen
Platz fuͤr mich auszumachen, ich ſollte dann mit
Gewalt dahin gebracht, genau bewacht, und ſo
lange eingeſperrt bleiben, bis ich mich dem Willen
der Mutter fuͤgen wuͤrde. Dieſe hoffte uͤberdies
durch allerhand Scheingruͤnde und durch die Huͤlfe
ihrer Freunde die Landesſtelle zu bewegen, daß
ſie mich erſt im dreiſigſten Jahre meines Alters
großjaͤhrig erklaͤren ſolle. Ich ſtaunte uͤber die
Kunſtgriffe einer Mutter, welche zur Befriedigung
ihres Stolzes ihr einziges Kind opfern und ungluͤck-
lich machen wollte, aber mein Entſchluß war auch
in der folgenden Nacht ſchon gefaßt. Wie am
andern Tage meine Mutter wirklich nach dem
Kloſter verreißte, packte ich alle meine Koſtbar-
keiten, und etwas weniges an Waͤſche heimlich
zuſammen, und wanderte am Abende unbemerkt
zum Schloſſe hinaus. Mein Karl hatte mir zum
letztenmale geſchrieben, daß er in einem zehn Mei-
len weit entfernten Staͤdtchen ſtehe, und auf
Pferde warte, welche er zum Regimente fuͤhren
muͤſſe. Ich nahm meinen Weg dahin, wanderte
die ganze Nacht, und langte am zweiten Tage
gluͤcklich im Staͤdtchen an, ich fand ihn eben an
ſeinem Schreibtiſche, als er einen Brief von mir
beantworten wollte. Er flog mir entgegen, ich lag
ſprachlos in ſeinen Armen, und hatte noch nicht
einmal die Freude des Wiederſehens gefuͤhlt, als
ein Wagen durch's Thor herein rollte, ich blickte
hinab, und ſah meine Mutter, von meinem Onkel
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