lung enden müssen. Drei dieser schrecklichen Flü- che sind leider schon in Erfüllung gegangen. Gottes Barmherzigkeit wird vielleicht doch die Wirkung des letzten von mir gnädig abwenden. Mein Karl suchte mich zwar zu trösten, und mir zu beweisen, daß die Flüche einer solchen Mutter nicht wirken könnten, aber sein Trost vermochte es doch nicht, zu hindern, daß ich selbst am Al- tare noch weinte, und ihm meine Hand mit Thränen reichte. Die Monarchin war so gnädig, Karls Urlaub bis zum Frühjahre zu verlängern, das endlich ihren glücklichen Ländern den Frieden brachte. Auf meine dringende Bitte legte Karl seine Stelle beim Regimente nieder, und zog mit mir auf meine Herrschaft. Wir lebten hier äu- serst zufrieden, und glücklich, wir würden höchst wahrscheinlich unsre Tage eben so glücklich geen- det haben, wenn meine Mutter mich als ihr Kind betrachtet hätte. Ringsumher wohnten ihre näch- sten Anverwandten, ihr Haß gegen mich brachte es bald dahin, daß diese uns nicht allein zu krän- ken, sondern auch auf die unredlichste Art zu ver- folgen suchten. Von tausend Beispielen nur ein: Ich liebte Natur und Einsamkeit, mein Karl baute, ohne daß ich's wußte, in einem schönen Wäldchen eine Eremitage, und wollte sie am Ta- ge meiner Geburt mit einem ländlichen Feste ein- weihen. Wie er alles dazu veranstaltet hatte, und mich nun hinführte, fanden wir die ganze schöne Anlage verwüstet, und das Gebäude selbst
lung enden muͤſſen. Drei dieſer ſchrecklichen Fluͤ- che ſind leider ſchon in Erfuͤllung gegangen. Gottes Barmherzigkeit wird vielleicht doch die Wirkung des letzten von mir gnaͤdig abwenden. Mein Karl ſuchte mich zwar zu troͤſten, und mir zu beweiſen, daß die Fluͤche einer ſolchen Mutter nicht wirken koͤnnten, aber ſein Troſt vermochte es doch nicht, zu hindern, daß ich ſelbſt am Al- tare noch weinte, und ihm meine Hand mit Thraͤnen reichte. Die Monarchin war ſo gnaͤdig, Karls Urlaub bis zum Fruͤhjahre zu verlaͤngern, das endlich ihren gluͤcklichen Laͤndern den Frieden brachte. Auf meine dringende Bitte legte Karl ſeine Stelle beim Regimente nieder, und zog mit mir auf meine Herrſchaft. Wir lebten hier aͤu- ſerſt zufrieden, und gluͤcklich, wir wuͤrden hoͤchſt wahrſcheinlich unſre Tage eben ſo gluͤcklich geen- det haben, wenn meine Mutter mich als ihr Kind betrachtet haͤtte. Ringsumher wohnten ihre naͤch- ſten Anverwandten, ihr Haß gegen mich brachte es bald dahin, daß dieſe uns nicht allein zu kraͤn- ken, ſondern auch auf die unredlichſte Art zu ver- folgen ſuchten. Von tauſend Beiſpielen nur ein: Ich liebte Natur und Einſamkeit, mein Karl baute, ohne daß ich's wußte, in einem ſchoͤnen Waͤldchen eine Eremitage, und wollte ſie am Ta- ge meiner Geburt mit einem laͤndlichen Feſte ein- weihen. Wie er alles dazu veranſtaltet hatte, und mich nun hinfuͤhrte, fanden wir die ganze ſchoͤne Anlage verwuͤſtet, und das Gebaͤude ſelbſt
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lung enden muͤſſen. Drei dieſer ſchrecklichen Fluͤ-
che ſind leider ſchon in Erfuͤllung gegangen.
Gottes Barmherzigkeit wird vielleicht doch die
Wirkung des letzten von mir gnaͤdig abwenden.
Mein Karl ſuchte mich zwar zu troͤſten, und mir
zu beweiſen, daß die Fluͤche einer ſolchen Mutter
nicht wirken koͤnnten, aber ſein Troſt vermochte
es doch nicht, zu hindern, daß ich ſelbſt am Al-
tare noch weinte, und ihm meine Hand mit
Thraͤnen reichte. Die Monarchin war ſo gnaͤdig,
Karls Urlaub bis zum Fruͤhjahre zu verlaͤngern,
das endlich ihren gluͤcklichen Laͤndern den Frieden
brachte. Auf meine dringende Bitte legte Karl
ſeine Stelle beim Regimente nieder, und zog mit
mir auf meine Herrſchaft. Wir lebten hier aͤu-
ſerſt zufrieden, und gluͤcklich, wir wuͤrden hoͤchſt
wahrſcheinlich unſre Tage eben ſo gluͤcklich geen-
det haben, wenn meine Mutter mich als ihr Kind
betrachtet haͤtte. Ringsumher wohnten ihre naͤch-
ſten Anverwandten, ihr Haß gegen mich brachte
es bald dahin, daß dieſe uns nicht allein zu kraͤn-
ken, ſondern auch auf die unredlichſte Art zu ver-
folgen ſuchten. Von tauſend Beiſpielen nur ein:
Ich liebte Natur und Einſamkeit, mein Karl
baute, ohne daß ich's wußte, in einem ſchoͤnen
Waͤldchen eine Eremitage, und wollte ſie am Ta-
ge meiner Geburt mit einem laͤndlichen Feſte ein-
weihen. Wie er alles dazu veranſtaltet hatte,
und mich nun hinfuͤhrte, fanden wir die ganze
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/205>, abgerufen am 19.02.2025.
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