Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.ein eben so altes, wahrscheinlich Visionen und Ich. Kann ich nicht mit ihm sprechen? Dies Pfarrer. Das wird schwer halten, denn ein eben ſo altes, wahrſcheinlich Viſionen und Ich. Kann ich nicht mit ihm ſprechen? Dies Pfarrer. Das wird ſchwer halten, denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="39"/> ein eben ſo altes, wahrſcheinlich Viſionen und<lb/> Traͤumereien enthaltendes Buch. Er laͤßt das<lb/> letztere keinem Sterblichen ſehen, und gewaltſame<lb/> Wegnahme wuͤrde ihn raſend machen. Lieſt er<lb/> in der Kronik, ſo waͤhnt er ein aͤchter und wahrer<lb/> Abkoͤmmling Kaiſer Karl des Vierten zu ſeyn,<lb/> macht dann Anſpruch auf den boͤhmiſchen Thron,<lb/> und betheuert hoch, daß ihm dieſer einſt noch wer-<lb/> den muͤſſe. Hat er aber das unbekannte Buch ge-<lb/> leſen, ſo ſpricht er von einer Oberwelt, in welcher<lb/> er ſelbſt einſt war und die er, ſeinen verwirrten<lb/> Ideen gemaͤß, oft aber recht romantiſch, ſchildert.<lb/> Er predigt dann Buße, und ermahnt die jungen<lb/> Leute in warmen, kraͤftigen Ausdruͤcken zur Tu-<lb/> gend. Oft miſchen ſich auch beide Ideen in ſei-<lb/> nem Geſpraͤche wunderlich durcheinander, er geht<lb/> von einer zur andern uͤber, und wird denen, die<lb/> nicht davon unterrichtet ſind, unverſtaͤndlich.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Kann ich nicht mit ihm ſprechen? Dies<lb/> nicht alles aus ſeinem Munde hoͤren?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Das wird ſchwer halten, denn<lb/> es giebt oft Wochen und Monden, in welchen er<lb/> aͤußerſt verſchloſſen umherwandelt, und uͤber neuen<lb/> Ideen bruͤtet; dann kann man ihm ſelten Rede<lb/> abgewinnen, er weiß jeder Frage ſehr geſchickt<lb/> auszuweichen, und vereitelt die Neugierde des<lb/> Forſchers. Am offenherzigſten ſpricht er gemeinig-<lb/> lich mit dem Herrn des Schloſſes, der ihm ſehr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0053]
ein eben ſo altes, wahrſcheinlich Viſionen und
Traͤumereien enthaltendes Buch. Er laͤßt das
letztere keinem Sterblichen ſehen, und gewaltſame
Wegnahme wuͤrde ihn raſend machen. Lieſt er
in der Kronik, ſo waͤhnt er ein aͤchter und wahrer
Abkoͤmmling Kaiſer Karl des Vierten zu ſeyn,
macht dann Anſpruch auf den boͤhmiſchen Thron,
und betheuert hoch, daß ihm dieſer einſt noch wer-
den muͤſſe. Hat er aber das unbekannte Buch ge-
leſen, ſo ſpricht er von einer Oberwelt, in welcher
er ſelbſt einſt war und die er, ſeinen verwirrten
Ideen gemaͤß, oft aber recht romantiſch, ſchildert.
Er predigt dann Buße, und ermahnt die jungen
Leute in warmen, kraͤftigen Ausdruͤcken zur Tu-
gend. Oft miſchen ſich auch beide Ideen in ſei-
nem Geſpraͤche wunderlich durcheinander, er geht
von einer zur andern uͤber, und wird denen, die
nicht davon unterrichtet ſind, unverſtaͤndlich.
Ich. Kann ich nicht mit ihm ſprechen? Dies
nicht alles aus ſeinem Munde hoͤren?
Pfarrer. Das wird ſchwer halten, denn
es giebt oft Wochen und Monden, in welchen er
aͤußerſt verſchloſſen umherwandelt, und uͤber neuen
Ideen bruͤtet; dann kann man ihm ſelten Rede
abgewinnen, er weiß jeder Frage ſehr geſchickt
auszuweichen, und vereitelt die Neugierde des
Forſchers. Am offenherzigſten ſpricht er gemeinig-
lich mit dem Herrn des Schloſſes, der ihm ſehr
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