Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.wohl hat er einen! Sein Geist war arbeitsam Pfarrer. Zu welchem Amte, mein lieber Der graue Mann. Sie, Ehrwürdiger Herr, Die Speisen rauchten schon lange auf der Ta- Karl war der einzige Sohn eines Schusters, wohl hat er einen! Sein Geiſt war arbeitſam Pfarrer. Zu welchem Amte, mein lieber Der graue Mann. Sie, Ehrwuͤrdiger Herr, Die Speiſen rauchten ſchon lange auf der Ta- Karl war der einzige Sohn eines Schuſters, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0068" n="54"/> wohl hat er einen! Sein Geiſt war arbeitſam<lb/> und thaͤtig, aber er ſchabte ſtets an einem Or-<lb/> te, machte gluͤcklich ein Loch in die Huͤlle, doch<lb/> iſt's zu klein, jetzt kann er nicht heraus: win-<lb/> det, kruͤmmt ſich, aber es geht nicht.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Zu welchem Amte, mein lieber<lb/> Karl, wird er mich wohl faͤhig finden, wenn er<lb/> einſt Koͤnig wird?</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">graue Mann</hi>. Sie, Ehrwuͤrdiger Herr,<lb/> mache ich zum oberſten Schulmeiſter meines Lan-<lb/> des, denn ich ſeh's mit großem Vergnuͤgen, wenn<lb/> Sie oft in die Schule gehen, die Kinder zur Thaͤ-<lb/> tigkeit, zum Fleiße ermahnen, und ihnen Ihre<lb/> eigne Kenntniſſe mittheilen. Das nutzt, das<lb/> fruchtet! denn jemehr unſere Geiſter ihre Haͤut-<lb/> chen verduͤnnen, je gluͤcklicher kann's auf dieſer<lb/> Welt werden.</p><lb/> <p>Die Speiſen rauchten ſchon lange auf der Ta-<lb/> fel, wir mußten Platz nehmen, und indeß wir's<lb/> thaten, entfernte ſich der graue Mann. Ich<lb/> konnte ihn nicht mehr ſehen, nicht mehr ſprechen,<lb/> denn er war uͤber Feld gewandert, und niemand<lb/> konnte ihn finden. Nach Tiſche ließ ich mir ſeine<lb/> Lebensgeſchichte vom Pfarrer erzaͤhlen:</p><lb/> <p>Karl war der einzige Sohn eines Schuſters,<lb/> der ſich redlich, aber kuͤmmerlich, naͤhrte. Als<lb/> der Knabe acht Jahre alt war, ſtarb Vater und<lb/> Mutter; ein Bruder der letztern nahm die ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0068]
wohl hat er einen! Sein Geiſt war arbeitſam
und thaͤtig, aber er ſchabte ſtets an einem Or-
te, machte gluͤcklich ein Loch in die Huͤlle, doch
iſt's zu klein, jetzt kann er nicht heraus: win-
det, kruͤmmt ſich, aber es geht nicht.
Pfarrer. Zu welchem Amte, mein lieber
Karl, wird er mich wohl faͤhig finden, wenn er
einſt Koͤnig wird?
Der graue Mann. Sie, Ehrwuͤrdiger Herr,
mache ich zum oberſten Schulmeiſter meines Lan-
des, denn ich ſeh's mit großem Vergnuͤgen, wenn
Sie oft in die Schule gehen, die Kinder zur Thaͤ-
tigkeit, zum Fleiße ermahnen, und ihnen Ihre
eigne Kenntniſſe mittheilen. Das nutzt, das
fruchtet! denn jemehr unſere Geiſter ihre Haͤut-
chen verduͤnnen, je gluͤcklicher kann's auf dieſer
Welt werden.
Die Speiſen rauchten ſchon lange auf der Ta-
fel, wir mußten Platz nehmen, und indeß wir's
thaten, entfernte ſich der graue Mann. Ich
konnte ihn nicht mehr ſehen, nicht mehr ſprechen,
denn er war uͤber Feld gewandert, und niemand
konnte ihn finden. Nach Tiſche ließ ich mir ſeine
Lebensgeſchichte vom Pfarrer erzaͤhlen:
Karl war der einzige Sohn eines Schuſters,
der ſich redlich, aber kuͤmmerlich, naͤhrte. Als
der Knabe acht Jahre alt war, ſtarb Vater und
Mutter; ein Bruder der letztern nahm die ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |