Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.fragte, und nun erfuhr, daß sie nach einer stun- Das Verhör begann, die Beweise wurden vor- und
fragte, und nun erfuhr, daß ſie nach einer ſtun- Das Verhoͤr begann, die Beweiſe wurden vor- und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="96"/> fragte, und nun erfuhr, daß ſie nach einer ſtun-<lb/> denweit entfernten Kirche in die Fruͤhmeſſe gegan-<lb/> gen ſei. Dieſer Umſtand widerſprach der Moͤglich-<lb/> keit des angeſchuldeten Verdachts, aber die Be-<lb/> weiſe, welche der Bauer zu liefern verſprach,<lb/> auch wirklich lieferte, waren auf der andern Sei-<lb/> te wieder ſehr ſtark, und nur allzuwichtig, um<lb/> den Verdacht zu beſtaͤtigen. Die Wahrheit ſo<lb/> bald als moͤglich zu ergruͤnden, ſandte der Rich-<lb/> ter ſein Weib der Beſchuldeten nach, und trug<lb/> ihr auf, ſie unter irgend einem Vorwande zur<lb/> ſchleunigen Ruͤckkunft zu bewegen. Die Abgeſand-<lb/> te langte mit ihr wirklich nach einigen Stunden<lb/> im Dorfe an, ſie verſicherte aber ihrem Manne,<lb/> daß ungeachtet aller Beweiſe der Verdacht unge-<lb/> gruͤndet ſeyn muͤſſe, weil ſie an ihrer Gefaͤhr-<lb/> din nicht die geringſte Schwaͤche entdeckt, viel-<lb/> mehr Muͤhe gehabt habe, ihrem ſtarken Schritte<lb/> zu folgen.</p><lb/> <p>Das Verhoͤr begann, die Beweiſe wurden vor-<lb/> gelegt, und die ſich ſicher duͤnkende dadurch ſo<lb/> uͤberraſcht, daß ſie ſogleich die unnatuͤrliche That<lb/> bekannte. Ich habe, ſprach ſie, in der Nacht<lb/> wirklich ein Kind gebohren, es zwar nicht ermor-<lb/> det; da ich aber durch ſein anhaltendes Geſchrei<lb/> Entdeckung befuͤrchtete, ihm in der Angſt den<lb/> Mund mit Stroh verſtopft, und wie ich, um al-<lb/> len Argwohn zu vermeiden, nach der Kirche gieng,<lb/> das ungluͤckliche Geſchoͤpf mit mir genommen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [96/0104]
fragte, und nun erfuhr, daß ſie nach einer ſtun-
denweit entfernten Kirche in die Fruͤhmeſſe gegan-
gen ſei. Dieſer Umſtand widerſprach der Moͤglich-
keit des angeſchuldeten Verdachts, aber die Be-
weiſe, welche der Bauer zu liefern verſprach,
auch wirklich lieferte, waren auf der andern Sei-
te wieder ſehr ſtark, und nur allzuwichtig, um
den Verdacht zu beſtaͤtigen. Die Wahrheit ſo
bald als moͤglich zu ergruͤnden, ſandte der Rich-
ter ſein Weib der Beſchuldeten nach, und trug
ihr auf, ſie unter irgend einem Vorwande zur
ſchleunigen Ruͤckkunft zu bewegen. Die Abgeſand-
te langte mit ihr wirklich nach einigen Stunden
im Dorfe an, ſie verſicherte aber ihrem Manne,
daß ungeachtet aller Beweiſe der Verdacht unge-
gruͤndet ſeyn muͤſſe, weil ſie an ihrer Gefaͤhr-
din nicht die geringſte Schwaͤche entdeckt, viel-
mehr Muͤhe gehabt habe, ihrem ſtarken Schritte
zu folgen.
Das Verhoͤr begann, die Beweiſe wurden vor-
gelegt, und die ſich ſicher duͤnkende dadurch ſo
uͤberraſcht, daß ſie ſogleich die unnatuͤrliche That
bekannte. Ich habe, ſprach ſie, in der Nacht
wirklich ein Kind gebohren, es zwar nicht ermor-
det; da ich aber durch ſein anhaltendes Geſchrei
Entdeckung befuͤrchtete, ihm in der Angſt den
Mund mit Stroh verſtopft, und wie ich, um al-
len Argwohn zu vermeiden, nach der Kirche gieng,
das ungluͤckliche Geſchoͤpf mit mir genommen,
und
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