Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.ter, und das Bauerngut eine Wirthin forderte, Es war eben Sonntag und einer der kältesten ter, und das Bauerngut eine Wirthin forderte, Es war eben Sonntag und einer der kaͤlteſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="95"/> ter, und das Bauerngut eine Wirthin forderte,<lb/> ſo trennten die Unverſoͤhnlichen ſich zwar nicht<lb/> voͤllig, aber ſie lebten auch nicht als Eheleute,<lb/> ſprachen oft Wochenlang kein Wort mit einander,<lb/> ſchliefen ſogar in abgeſonderten Kammern. Zwei<lb/> Jahre nach dieſer freiwilligen Trennung kam einſt<lb/> der Bauer zu ſeinem Richter, er erzaͤhlte ihm, daß<lb/> ſeine Frau wahrſcheinlich ſchwanger ſei, und daß<lb/> er ſie mit einem Knechte im Verdachte habe.<lb/> Auf ſeine weitere Bitte ließ der Richter die Be-<lb/> ſchuldigte rufen, aber dieſe laͤugnete nicht nur<lb/> die Vermuthung, ſondern uͤberhaͤufte auch ihren<lb/> Mann mit vielen Schmaͤhungen, weil er durch<lb/> dieſen falſchen Verdacht ihre Ehre ſehr gekraͤnkt,<lb/> ihren unbeſcholtenen Ruf offenbar verletzt habe.<lb/> Der Mann ließ ſich endlich durch den Richter<lb/> zur Abbiete bewegen, und dieſer hatte die Sache<lb/> ſchon lang vergeſſen, als jener wieder bei ihm<lb/> erſchien, ihm aufs neue erzaͤhlte, daß ſein Weib<lb/> dieſe Nacht ſehr wahrſcheinlich ein Kind geboh-<lb/> ren, aber eben ſo wahrſcheinlich auch umgebracht<lb/> habe. Ungeachtet der Richter dieſer neuen Ver-<lb/> muthung keinen Glauben beimaß, ſo ließ er ſich<lb/> doch uͤberreden, mit dem Bauer nach ſeiner Woh-<lb/> nung zu gehen, weil dieſer ihm dort naͤhere Be-<lb/> weiſe zu geben verſprach.</p><lb/> <p>Es war eben Sonntag und einer der kaͤlteſten<lb/> Tage eines ſehr ſtrengen Winters; der Richter<lb/> widerſprach daher der Vermuthung laut, als er,<lb/> wie ſie in der Stube anlangten, nach der Frau<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0103]
ter, und das Bauerngut eine Wirthin forderte,
ſo trennten die Unverſoͤhnlichen ſich zwar nicht
voͤllig, aber ſie lebten auch nicht als Eheleute,
ſprachen oft Wochenlang kein Wort mit einander,
ſchliefen ſogar in abgeſonderten Kammern. Zwei
Jahre nach dieſer freiwilligen Trennung kam einſt
der Bauer zu ſeinem Richter, er erzaͤhlte ihm, daß
ſeine Frau wahrſcheinlich ſchwanger ſei, und daß
er ſie mit einem Knechte im Verdachte habe.
Auf ſeine weitere Bitte ließ der Richter die Be-
ſchuldigte rufen, aber dieſe laͤugnete nicht nur
die Vermuthung, ſondern uͤberhaͤufte auch ihren
Mann mit vielen Schmaͤhungen, weil er durch
dieſen falſchen Verdacht ihre Ehre ſehr gekraͤnkt,
ihren unbeſcholtenen Ruf offenbar verletzt habe.
Der Mann ließ ſich endlich durch den Richter
zur Abbiete bewegen, und dieſer hatte die Sache
ſchon lang vergeſſen, als jener wieder bei ihm
erſchien, ihm aufs neue erzaͤhlte, daß ſein Weib
dieſe Nacht ſehr wahrſcheinlich ein Kind geboh-
ren, aber eben ſo wahrſcheinlich auch umgebracht
habe. Ungeachtet der Richter dieſer neuen Ver-
muthung keinen Glauben beimaß, ſo ließ er ſich
doch uͤberreden, mit dem Bauer nach ſeiner Woh-
nung zu gehen, weil dieſer ihm dort naͤhere Be-
weiſe zu geben verſprach.
Es war eben Sonntag und einer der kaͤlteſten
Tage eines ſehr ſtrengen Winters; der Richter
widerſprach daher der Vermuthung laut, als er,
wie ſie in der Stube anlangten, nach der Frau
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