Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

seines großen Fleißes mit sich brachte, und da-
durch die Kosten seiner Erziehung so reichlich be-
lohnte, aber der gute Alte genoß diese Freude
nicht volle drei Jahre; als er um diese Zeit im
Forste eine hohe Buche fällen ließ, zerschmetterte
ein Ast derselben sein Haupt, man trug ihn todt
nach Hause.

Oft hatte er in vieler Zeugen Gegenwart er-
klärt, daß Konrad einst all sein Haabe und Ver-
mögen erben sollte, da ihn aber der Tod in der
größten Sicherheit überraschte, und er seinen Wil-
len nicht schriftlich hinterlassen hatte, so erklärten
sich bald seine nächsten Freunde als die Erben
seines Vermögens, und nahmen es unter dem
Schutze der Gesetze im Empfang. Keiner gedach-
te des armen Konrads, keiner war edel genug,
des Verstorbenen Gelübde an ihm zu erfüllen, alle
überließen ihn dem zufälligen Schicksale, das bald
mit voller Macht seine launichte Tücke an ihm
übte. Er mußte sogleich den Studien entsagen,
weil niemand mehr Kost und Wohnung für ihn
zahlte, alle Stiftungen für arme Studenten, die
sein Professor dem fleißigen Knaben so gerne ver-
schafft hätte, waren vergeben, er konnte den
Klagenden nur mit der Zukunft trösten, und
war als Mönch zu arm, um ihn selbst zu un-
terstützen.

Der von allen verlaßne Knabe war damals
funfzehn Jahre alt, sein Kostherr, ein wohlha-
bender Schuster, versprach ihm sein Handwerk zu

ſeines großen Fleißes mit ſich brachte, und da-
durch die Koſten ſeiner Erziehung ſo reichlich be-
lohnte, aber der gute Alte genoß dieſe Freude
nicht volle drei Jahre; als er um dieſe Zeit im
Forſte eine hohe Buche faͤllen ließ, zerſchmetterte
ein Aſt derſelben ſein Haupt, man trug ihn todt
nach Hauſe.

Oft hatte er in vieler Zeugen Gegenwart er-
klaͤrt, daß Konrad einſt all ſein Haabe und Ver-
moͤgen erben ſollte, da ihn aber der Tod in der
groͤßten Sicherheit uͤberraſchte, und er ſeinen Wil-
len nicht ſchriftlich hinterlaſſen hatte, ſo erklaͤrten
ſich bald ſeine naͤchſten Freunde als die Erben
ſeines Vermoͤgens, und nahmen es unter dem
Schutze der Geſetze im Empfang. Keiner gedach-
te des armen Konrads, keiner war edel genug,
des Verſtorbenen Geluͤbde an ihm zu erfuͤllen, alle
uͤberließen ihn dem zufaͤlligen Schickſale, das bald
mit voller Macht ſeine launichte Tuͤcke an ihm
uͤbte. Er mußte ſogleich den Studien entſagen,
weil niemand mehr Koſt und Wohnung fuͤr ihn
zahlte, alle Stiftungen fuͤr arme Studenten, die
ſein Profeſſor dem fleißigen Knaben ſo gerne ver-
ſchafft haͤtte, waren vergeben, er konnte den
Klagenden nur mit der Zukunft troͤſten, und
war als Moͤnch zu arm, um ihn ſelbſt zu un-
terſtuͤtzen.

Der von allen verlaßne Knabe war damals
funfzehn Jahre alt, ſein Koſtherr, ein wohlha-
bender Schuſter, verſprach ihm ſein Handwerk zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="100"/>
&#x017F;eines großen Fleißes mit &#x017F;ich brachte, und da-<lb/>
durch die Ko&#x017F;ten &#x017F;einer Erziehung &#x017F;o reichlich be-<lb/>
lohnte, aber der gute Alte genoß die&#x017F;e Freude<lb/>
nicht volle drei Jahre; als er um die&#x017F;e Zeit im<lb/>
For&#x017F;te eine hohe Buche fa&#x0364;llen ließ, zer&#x017F;chmetterte<lb/>
ein A&#x017F;t der&#x017F;elben &#x017F;ein Haupt, man trug ihn todt<lb/>
nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Oft hatte er in vieler Zeugen Gegenwart er-<lb/>
kla&#x0364;rt, daß Konrad ein&#x017F;t all &#x017F;ein Haabe und Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen erben &#x017F;ollte, da ihn aber der Tod in der<lb/>
gro&#x0364;ßten Sicherheit u&#x0364;berra&#x017F;chte, und er &#x017F;einen Wil-<lb/>
len nicht &#x017F;chriftlich hinterla&#x017F;&#x017F;en hatte, &#x017F;o erkla&#x0364;rten<lb/>
&#x017F;ich bald &#x017F;eine na&#x0364;ch&#x017F;ten Freunde als die Erben<lb/>
&#x017F;eines Vermo&#x0364;gens, und nahmen es unter dem<lb/>
Schutze der Ge&#x017F;etze im Empfang. Keiner gedach-<lb/>
te des armen Konrads, keiner war edel genug,<lb/>
des Ver&#x017F;torbenen Gelu&#x0364;bde an ihm zu erfu&#x0364;llen, alle<lb/>
u&#x0364;berließen ihn dem zufa&#x0364;lligen Schick&#x017F;ale, das bald<lb/>
mit voller Macht &#x017F;eine launichte Tu&#x0364;cke an ihm<lb/>
u&#x0364;bte. Er mußte &#x017F;ogleich den Studien ent&#x017F;agen,<lb/>
weil niemand mehr Ko&#x017F;t und Wohnung fu&#x0364;r ihn<lb/>
zahlte, alle Stiftungen fu&#x0364;r arme Studenten, die<lb/>
&#x017F;ein Profe&#x017F;&#x017F;or dem fleißigen Knaben &#x017F;o gerne ver-<lb/>
&#x017F;chafft ha&#x0364;tte, waren vergeben, er konnte den<lb/>
Klagenden nur mit der Zukunft tro&#x0364;&#x017F;ten, und<lb/>
war als Mo&#x0364;nch zu arm, um ihn &#x017F;elb&#x017F;t zu un-<lb/>
ter&#x017F;tu&#x0364;tzen.</p><lb/>
        <p>Der von allen verlaßne Knabe war damals<lb/>
funfzehn Jahre alt, &#x017F;ein Ko&#x017F;therr, ein wohlha-<lb/>
bender Schu&#x017F;ter, ver&#x017F;prach ihm &#x017F;ein Handwerk zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0108] ſeines großen Fleißes mit ſich brachte, und da- durch die Koſten ſeiner Erziehung ſo reichlich be- lohnte, aber der gute Alte genoß dieſe Freude nicht volle drei Jahre; als er um dieſe Zeit im Forſte eine hohe Buche faͤllen ließ, zerſchmetterte ein Aſt derſelben ſein Haupt, man trug ihn todt nach Hauſe. Oft hatte er in vieler Zeugen Gegenwart er- klaͤrt, daß Konrad einſt all ſein Haabe und Ver- moͤgen erben ſollte, da ihn aber der Tod in der groͤßten Sicherheit uͤberraſchte, und er ſeinen Wil- len nicht ſchriftlich hinterlaſſen hatte, ſo erklaͤrten ſich bald ſeine naͤchſten Freunde als die Erben ſeines Vermoͤgens, und nahmen es unter dem Schutze der Geſetze im Empfang. Keiner gedach- te des armen Konrads, keiner war edel genug, des Verſtorbenen Geluͤbde an ihm zu erfuͤllen, alle uͤberließen ihn dem zufaͤlligen Schickſale, das bald mit voller Macht ſeine launichte Tuͤcke an ihm uͤbte. Er mußte ſogleich den Studien entſagen, weil niemand mehr Koſt und Wohnung fuͤr ihn zahlte, alle Stiftungen fuͤr arme Studenten, die ſein Profeſſor dem fleißigen Knaben ſo gerne ver- ſchafft haͤtte, waren vergeben, er konnte den Klagenden nur mit der Zukunft troͤſten, und war als Moͤnch zu arm, um ihn ſelbſt zu un- terſtuͤtzen. Der von allen verlaßne Knabe war damals funfzehn Jahre alt, ſein Koſtherr, ein wohlha- bender Schuſter, verſprach ihm ſein Handwerk zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/108
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/108>, abgerufen am 21.11.2024.