Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

nens Vater auf sein Ehrenwort versichert hatte,
daß dieß seiner Tochter Schrift sei, so eilten sie,
wieder gut zu machen, was ihre allzugroße Härte
verbrochen hatte.

Sie trafen Konraden im Gebete mit seinem
Beichtvater, dessen Herz er eben durch die auf-
richtige Erzählung seiner Unschuld zur innigsten
Theilnahme gerührt hatte. Sie waren vorsichtig
genug, ihm die Freudenpost nur nach und nach
zu entdecken, ihn anfangs nur durch entfernte
Hofnung aus der Todesangst zu erlösen. Ihre
Absicht gelang vollkommen, Konrad äußerte über
seine nahe Rettung zwar große Freude, aber sie
war nicht überspannt, nicht unmäßig, ließ keine
Gefahr, keine üble Folgen für seine Gesundheit
muthmaßen.

Konrad hatte durch sein eignes Bekenntniß sich
als Karolinens Mörder angeklagt, es war also
ganz natürlich, daß das Gericht noch immer vor-
sichtig handelte, ihm zwar Hofnung, Befreiung
aus Ketten und Kerker, aber doch nicht eher voll-
kommne Freiheit gewährte, bis die lebende Karo-
line es durch ihre Gegenwart ganz überzeugen
würde, daß nur Quaal und Schmerz der Folter
dieß ungerechte Bekenntniß erzwungen habe. Der
Gerettete durchwachte in einem Zimmer des Rath-
hauses die kommende Nacht, seine Wächter waren
mehr zur Pflege als zur Sicherheit geordnet.

Um zehn Uhr des andern Tages öfnete sich
schnell die Thüre, Karoline stürzte hinein, ihr

nens Vater auf ſein Ehrenwort verſichert hatte,
daß dieß ſeiner Tochter Schrift ſei, ſo eilten ſie,
wieder gut zu machen, was ihre allzugroße Haͤrte
verbrochen hatte.

Sie trafen Konraden im Gebete mit ſeinem
Beichtvater, deſſen Herz er eben durch die auf-
richtige Erzaͤhlung ſeiner Unſchuld zur innigſten
Theilnahme geruͤhrt hatte. Sie waren vorſichtig
genug, ihm die Freudenpoſt nur nach und nach
zu entdecken, ihn anfangs nur durch entfernte
Hofnung aus der Todesangſt zu erloͤſen. Ihre
Abſicht gelang vollkommen, Konrad aͤußerte uͤber
ſeine nahe Rettung zwar große Freude, aber ſie
war nicht uͤberſpannt, nicht unmaͤßig, ließ keine
Gefahr, keine uͤble Folgen fuͤr ſeine Geſundheit
muthmaßen.

Konrad hatte durch ſein eignes Bekenntniß ſich
als Karolinens Moͤrder angeklagt, es war alſo
ganz natuͤrlich, daß das Gericht noch immer vor-
ſichtig handelte, ihm zwar Hofnung, Befreiung
aus Ketten und Kerker, aber doch nicht eher voll-
kommne Freiheit gewaͤhrte, bis die lebende Karo-
line es durch ihre Gegenwart ganz uͤberzeugen
wuͤrde, daß nur Quaal und Schmerz der Folter
dieß ungerechte Bekenntniß erzwungen habe. Der
Gerettete durchwachte in einem Zimmer des Rath-
hauſes die kommende Nacht, ſeine Waͤchter waren
mehr zur Pflege als zur Sicherheit geordnet.

Um zehn Uhr des andern Tages oͤfnete ſich
ſchnell die Thuͤre, Karoline ſtuͤrzte hinein, ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="126"/>
nens Vater auf &#x017F;ein Ehrenwort ver&#x017F;ichert hatte,<lb/>
daß dieß &#x017F;einer Tochter Schrift &#x017F;ei, &#x017F;o eilten &#x017F;ie,<lb/>
wieder gut zu machen, was ihre allzugroße Ha&#x0364;rte<lb/>
verbrochen hatte.</p><lb/>
        <p>Sie trafen Konraden im Gebete mit &#x017F;einem<lb/>
Beichtvater, de&#x017F;&#x017F;en Herz er eben durch die auf-<lb/>
richtige Erza&#x0364;hlung &#x017F;einer Un&#x017F;chuld zur innig&#x017F;ten<lb/>
Theilnahme geru&#x0364;hrt hatte. Sie waren vor&#x017F;ichtig<lb/>
genug, ihm die Freudenpo&#x017F;t nur nach und nach<lb/>
zu entdecken, ihn anfangs nur durch entfernte<lb/>
Hofnung aus der Todesang&#x017F;t zu erlo&#x0364;&#x017F;en. Ihre<lb/>
Ab&#x017F;icht gelang vollkommen, Konrad a&#x0364;ußerte u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine nahe Rettung zwar große Freude, aber &#x017F;ie<lb/>
war nicht u&#x0364;ber&#x017F;pannt, nicht unma&#x0364;ßig, ließ keine<lb/>
Gefahr, keine u&#x0364;ble Folgen fu&#x0364;r &#x017F;eine Ge&#x017F;undheit<lb/>
muthmaßen.</p><lb/>
        <p>Konrad hatte durch &#x017F;ein eignes Bekenntniß &#x017F;ich<lb/>
als Karolinens Mo&#x0364;rder angeklagt, es war al&#x017F;o<lb/>
ganz natu&#x0364;rlich, daß das Gericht noch immer vor-<lb/>
&#x017F;ichtig handelte, ihm zwar Hofnung, Befreiung<lb/>
aus Ketten und Kerker, aber doch nicht eher voll-<lb/>
kommne Freiheit gewa&#x0364;hrte, bis die lebende Karo-<lb/>
line es durch ihre Gegenwart ganz u&#x0364;berzeugen<lb/>
wu&#x0364;rde, daß nur Quaal und Schmerz der Folter<lb/>
dieß ungerechte Bekenntniß erzwungen habe. Der<lb/>
Gerettete durchwachte in einem Zimmer des Rath-<lb/>
hau&#x017F;es die kommende Nacht, &#x017F;eine Wa&#x0364;chter waren<lb/>
mehr zur Pflege als zur Sicherheit geordnet.</p><lb/>
        <p>Um zehn Uhr des andern Tages o&#x0364;fnete &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chnell die Thu&#x0364;re, Karoline &#x017F;tu&#x0364;rzte hinein, ihr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0134] nens Vater auf ſein Ehrenwort verſichert hatte, daß dieß ſeiner Tochter Schrift ſei, ſo eilten ſie, wieder gut zu machen, was ihre allzugroße Haͤrte verbrochen hatte. Sie trafen Konraden im Gebete mit ſeinem Beichtvater, deſſen Herz er eben durch die auf- richtige Erzaͤhlung ſeiner Unſchuld zur innigſten Theilnahme geruͤhrt hatte. Sie waren vorſichtig genug, ihm die Freudenpoſt nur nach und nach zu entdecken, ihn anfangs nur durch entfernte Hofnung aus der Todesangſt zu erloͤſen. Ihre Abſicht gelang vollkommen, Konrad aͤußerte uͤber ſeine nahe Rettung zwar große Freude, aber ſie war nicht uͤberſpannt, nicht unmaͤßig, ließ keine Gefahr, keine uͤble Folgen fuͤr ſeine Geſundheit muthmaßen. Konrad hatte durch ſein eignes Bekenntniß ſich als Karolinens Moͤrder angeklagt, es war alſo ganz natuͤrlich, daß das Gericht noch immer vor- ſichtig handelte, ihm zwar Hofnung, Befreiung aus Ketten und Kerker, aber doch nicht eher voll- kommne Freiheit gewaͤhrte, bis die lebende Karo- line es durch ihre Gegenwart ganz uͤberzeugen wuͤrde, daß nur Quaal und Schmerz der Folter dieß ungerechte Bekenntniß erzwungen habe. Der Gerettete durchwachte in einem Zimmer des Rath- hauſes die kommende Nacht, ſeine Waͤchter waren mehr zur Pflege als zur Sicherheit geordnet. Um zehn Uhr des andern Tages oͤfnete ſich ſchnell die Thuͤre, Karoline ſtuͤrzte hinein, ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/134
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/134>, abgerufen am 21.11.2024.