Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

im Zimmer vom Blute reinigte. Sie entfloh end-
lich glücklich aus der Stadt, die Dämmerung ver-
hinderte es, daß man ihr hin- und hergehen im
Gasthofe bemerkte.

Sie reiste nach München, Regensburg, dünk-
te sich nirgends sicher, nirgends ruhig, gedachte
stets ihres geliebten Konrads, und tröstete sich
bloß mit der Hoffnung, daß ihr geiziger Vater
zufrieden seyn würde, wenn er ihr Vermögen wie-
der erhielte. Daß er Genugthuung von Konra-
den fordern, ihn vielleicht gar als einen Verdäch-
tigen dem Gerichte überliefern würde, kam ihr
lange nicht in den Sinn. Erst nach und nach
schien ihr die Möglichkeit des letztern einleuchtend
zu werden, ihre Unruhe und Angst vermehrte sich
dadurch um ein großes. Beide trieben sie näher
nach Strasburg, um wo möglich einige Nachrich-
ten einzuziehen. Da ihr dieß in der Ferne nicht
gelang, so gieng sie bis Philippsburg, wo sie sich
bei dem Wirthe nach verschiedenen Bekannten in
Strasburg, dann erst nach ihrem Vater erkundig-
te. Man stelle sich ihr Erstaunen, die Größe ih-
res Jammers vor, als sie hörte, daß dieser seine
ermordete Tochter trostlos beklage, und endlich
gar erfuhr, daß Konrad, dieses Mords beschul-
digt, nächstens schon auf dem Blutgerüste sterben
werde. Nun erfolgte, was ich schon ehe er-
zählte.


J 2

im Zimmer vom Blute reinigte. Sie entfloh end-
lich gluͤcklich aus der Stadt, die Daͤmmerung ver-
hinderte es, daß man ihr hin- und hergehen im
Gaſthofe bemerkte.

Sie reiſte nach Muͤnchen, Regensburg, duͤnk-
te ſich nirgends ſicher, nirgends ruhig, gedachte
ſtets ihres geliebten Konrads, und troͤſtete ſich
bloß mit der Hoffnung, daß ihr geiziger Vater
zufrieden ſeyn wuͤrde, wenn er ihr Vermoͤgen wie-
der erhielte. Daß er Genugthuung von Konra-
den fordern, ihn vielleicht gar als einen Verdaͤch-
tigen dem Gerichte uͤberliefern wuͤrde, kam ihr
lange nicht in den Sinn. Erſt nach und nach
ſchien ihr die Moͤglichkeit des letztern einleuchtend
zu werden, ihre Unruhe und Angſt vermehrte ſich
dadurch um ein großes. Beide trieben ſie naͤher
nach Strasburg, um wo moͤglich einige Nachrich-
ten einzuziehen. Da ihr dieß in der Ferne nicht
gelang, ſo gieng ſie bis Philippsburg, wo ſie ſich
bei dem Wirthe nach verſchiedenen Bekannten in
Strasburg, dann erſt nach ihrem Vater erkundig-
te. Man ſtelle ſich ihr Erſtaunen, die Groͤße ih-
res Jammers vor, als ſie hoͤrte, daß dieſer ſeine
ermordete Tochter troſtlos beklage, und endlich
gar erfuhr, daß Konrad, dieſes Mords beſchul-
digt, naͤchſtens ſchon auf dem Blutgeruͤſte ſterben
werde. Nun erfolgte, was ich ſchon ehe er-
zaͤhlte.


J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="131"/>
im Zimmer vom Blute reinigte. Sie entfloh end-<lb/>
lich glu&#x0364;cklich aus der Stadt, die Da&#x0364;mmerung ver-<lb/>
hinderte es, daß man ihr hin- und hergehen im<lb/>
Ga&#x017F;thofe bemerkte.</p><lb/>
        <p>Sie rei&#x017F;te nach Mu&#x0364;nchen, Regensburg, du&#x0364;nk-<lb/>
te &#x017F;ich nirgends &#x017F;icher, nirgends ruhig, gedachte<lb/>
&#x017F;tets ihres geliebten Konrads, und tro&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ich<lb/>
bloß mit der Hoffnung, daß ihr geiziger Vater<lb/>
zufrieden &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn er ihr Vermo&#x0364;gen wie-<lb/>
der erhielte. Daß er Genugthuung von Konra-<lb/>
den fordern, ihn vielleicht gar als einen Verda&#x0364;ch-<lb/>
tigen dem Gerichte u&#x0364;berliefern wu&#x0364;rde, kam ihr<lb/>
lange nicht in den Sinn. Er&#x017F;t nach und nach<lb/>
&#x017F;chien ihr die Mo&#x0364;glichkeit des letztern einleuchtend<lb/>
zu werden, ihre Unruhe und Ang&#x017F;t vermehrte &#x017F;ich<lb/>
dadurch um ein großes. Beide trieben &#x017F;ie na&#x0364;her<lb/>
nach Strasburg, um wo mo&#x0364;glich einige Nachrich-<lb/>
ten einzuziehen. Da ihr dieß in der Ferne nicht<lb/>
gelang, &#x017F;o gieng &#x017F;ie bis Philippsburg, wo &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
bei dem Wirthe nach ver&#x017F;chiedenen Bekannten in<lb/>
Strasburg, dann er&#x017F;t nach ihrem Vater erkundig-<lb/>
te. Man &#x017F;telle &#x017F;ich ihr Er&#x017F;taunen, die Gro&#x0364;ße ih-<lb/>
res Jammers vor, als &#x017F;ie ho&#x0364;rte, daß die&#x017F;er &#x017F;eine<lb/>
ermordete Tochter tro&#x017F;tlos beklage, und endlich<lb/>
gar erfuhr, daß Konrad, die&#x017F;es Mords be&#x017F;chul-<lb/>
digt, na&#x0364;ch&#x017F;tens &#x017F;chon auf dem Blutgeru&#x0364;&#x017F;te &#x017F;terben<lb/>
werde. Nun erfolgte, was ich &#x017F;chon ehe er-<lb/>
za&#x0364;hlte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0139] im Zimmer vom Blute reinigte. Sie entfloh end- lich gluͤcklich aus der Stadt, die Daͤmmerung ver- hinderte es, daß man ihr hin- und hergehen im Gaſthofe bemerkte. Sie reiſte nach Muͤnchen, Regensburg, duͤnk- te ſich nirgends ſicher, nirgends ruhig, gedachte ſtets ihres geliebten Konrads, und troͤſtete ſich bloß mit der Hoffnung, daß ihr geiziger Vater zufrieden ſeyn wuͤrde, wenn er ihr Vermoͤgen wie- der erhielte. Daß er Genugthuung von Konra- den fordern, ihn vielleicht gar als einen Verdaͤch- tigen dem Gerichte uͤberliefern wuͤrde, kam ihr lange nicht in den Sinn. Erſt nach und nach ſchien ihr die Moͤglichkeit des letztern einleuchtend zu werden, ihre Unruhe und Angſt vermehrte ſich dadurch um ein großes. Beide trieben ſie naͤher nach Strasburg, um wo moͤglich einige Nachrich- ten einzuziehen. Da ihr dieß in der Ferne nicht gelang, ſo gieng ſie bis Philippsburg, wo ſie ſich bei dem Wirthe nach verſchiedenen Bekannten in Strasburg, dann erſt nach ihrem Vater erkundig- te. Man ſtelle ſich ihr Erſtaunen, die Groͤße ih- res Jammers vor, als ſie hoͤrte, daß dieſer ſeine ermordete Tochter troſtlos beklage, und endlich gar erfuhr, daß Konrad, dieſes Mords beſchul- digt, naͤchſtens ſchon auf dem Blutgeruͤſte ſterben werde. Nun erfolgte, was ich ſchon ehe er- zaͤhlte. J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/139
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/139>, abgerufen am 21.11.2024.