Thränen löschten oft die Buchstaben, welche seine zitternde Hand schrieb. Am dritten Tage wurde er mit den übrigen Rekruten der Herrschaft nach einer nahen Stadt geführt, in welcher das Regi- ment lag, bei welchem sie dienen sollten. Nie- mand wirds Konraden verdenken, daß er auch hier mit Hülfe seiner Louisd'ors Entlassung such- te; aber der Offizier, welcher ihn übernahm, war zu gewissenhaft, um sich durch den Schein des Goldes blenden zu lassen, Konrad mußte in kur- zer Zeit zu der Fahne des Regiments schwören, und alle Hofnung, vor Ende des Kriegs befreit zu werden, war nun verlohren.
Karolinens Jammer war groß, ihre Trauer unnennbar, als sie das unglückliche Schicksal ih- res Theuern erfuhr, sie hatte ihn schon jeden Tag mit Sehnsucht erwartet, sollte ihn jetzt lang mis- sen, dieß war mehr, als ihr Herz zu ertragen vermochte. Ihre Thränen, ihr Flehen rührte den Vater, er reiste nach Böhmen, und nahm eine große Summe Gelds mit sich, um mit dieser Kon- rads Freiheit zu erkaufen. Er ward auf seiner Reise mit einem Werboffizier bekannt, welchem er seine Noth klagte, und von diesem die Ver- sicherung erhielt, daß er ihm für baares Geld zwei tüchtige Rekruten stellen wolle, wenn man solche, wie er sicher glaubte, für Konrads Entlassung fordern würde.
Durch dieß Versprechen getröstet, beschleunigte der Alte seine Reise, wie er aber in der Stadt,
Thraͤnen loͤſchten oft die Buchſtaben, welche ſeine zitternde Hand ſchrieb. Am dritten Tage wurde er mit den uͤbrigen Rekruten der Herrſchaft nach einer nahen Stadt gefuͤhrt, in welcher das Regi- ment lag, bei welchem ſie dienen ſollten. Nie- mand wirds Konraden verdenken, daß er auch hier mit Huͤlfe ſeiner Louisd'ors Entlaſſung ſuch- te; aber der Offizier, welcher ihn uͤbernahm, war zu gewiſſenhaft, um ſich durch den Schein des Goldes blenden zu laſſen, Konrad mußte in kur- zer Zeit zu der Fahne des Regiments ſchwoͤren, und alle Hofnung, vor Ende des Kriegs befreit zu werden, war nun verlohren.
Karolinens Jammer war groß, ihre Trauer unnennbar, als ſie das ungluͤckliche Schickſal ih- res Theuern erfuhr, ſie hatte ihn ſchon jeden Tag mit Sehnſucht erwartet, ſollte ihn jetzt lang miſ- ſen, dieß war mehr, als ihr Herz zu ertragen vermochte. Ihre Thraͤnen, ihr Flehen ruͤhrte den Vater, er reiſte nach Boͤhmen, und nahm eine große Summe Gelds mit ſich, um mit dieſer Kon- rads Freiheit zu erkaufen. Er ward auf ſeiner Reiſe mit einem Werboffizier bekannt, welchem er ſeine Noth klagte, und von dieſem die Ver- ſicherung erhielt, daß er ihm fuͤr baares Geld zwei tuͤchtige Rekruten ſtellen wolle, wenn man ſolche, wie er ſicher glaubte, fuͤr Konrads Entlaſſung fordern wuͤrde.
Durch dieß Verſprechen getroͤſtet, beſchleunigte der Alte ſeine Reiſe, wie er aber in der Stadt,
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Thraͤnen loͤſchten oft die Buchſtaben, welche ſeine
zitternde Hand ſchrieb. Am dritten Tage wurde
er mit den uͤbrigen Rekruten der Herrſchaft nach
einer nahen Stadt gefuͤhrt, in welcher das Regi-
ment lag, bei welchem ſie dienen ſollten. Nie-
mand wirds Konraden verdenken, daß er auch
hier mit Huͤlfe ſeiner Louisd'ors Entlaſſung ſuch-
te; aber der Offizier, welcher ihn uͤbernahm, war
zu gewiſſenhaft, um ſich durch den Schein des
Goldes blenden zu laſſen, Konrad mußte in kur-
zer Zeit zu der Fahne des Regiments ſchwoͤren,
und alle Hofnung, vor Ende des Kriegs befreit
zu werden, war nun verlohren.
Karolinens Jammer war groß, ihre Trauer
unnennbar, als ſie das ungluͤckliche Schickſal ih-
res Theuern erfuhr, ſie hatte ihn ſchon jeden Tag
mit Sehnſucht erwartet, ſollte ihn jetzt lang miſ-
ſen, dieß war mehr, als ihr Herz zu ertragen
vermochte. Ihre Thraͤnen, ihr Flehen ruͤhrte den
Vater, er reiſte nach Boͤhmen, und nahm eine
große Summe Gelds mit ſich, um mit dieſer Kon-
rads Freiheit zu erkaufen. Er ward auf ſeiner
Reiſe mit einem Werboffizier bekannt, welchem
er ſeine Noth klagte, und von dieſem die Ver-
ſicherung erhielt, daß er ihm fuͤr baares Geld zwei
tuͤchtige Rekruten ſtellen wolle, wenn man ſolche,
wie er ſicher glaubte, fuͤr Konrads Entlaſſung
fordern wuͤrde.
Durch dieß Verſprechen getroͤſtet, beſchleunigte
der Alte ſeine Reiſe, wie er aber in der Stadt,
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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