aus welcher Konrad zum letzten male schrieb, anlangte, so war das Regiment schon aufgebro- chen, und hatte seinen Marsch nach Schlesien ge- nommen. Er reiste auch dahin ab, da aber der Krieg in dortiger Gegend eben sehr hartnäckig be- gann, und Konrads Regiment eben auf Vorpo- sten stand, so konnte er, aller Mühe ungeachtet, nicht vordringen, ward endlich als verdächtig im Lager angehalten, und, ob er sich gleich durch seine Pässe legitimirte, doch nur mit dem Ver- sprechen entlassen, daß er nie wiederkehren wolle. Diese Unglücksfälle schreckten den Alten ganz ab, mehr zu wagen, er kehrte schnell nach Strasburg zurück, und erfüllte das Herz seiner Tochter mit neuer Trauer.
Unterdessen hatte Konrad schon einigemal mit dem Feinde gekämpft, er suchte verzweiflungsvoll seinen Tod, aber er fand ihn nicht, erndete statt diesem Ehre und Lob seiner Vorgesetzten, welche seine Tapferkeit bewunderten, und ihn, ehe ein halbes Jahr vergieng, zum Unteroffizier beförder- ten. Sein Loos würde als dieser erträglich gewe- sen seyn, wenn er nicht ein besseres gekannt, nicht von Karolinen hätte entfernt leben müssen. Sehnsucht nach ihr verbitterte jede Stunde seines Lebens, verschloß sein Herz jeder Freude, und machte ihn zum Genusse unfähig. Wenn andre zechten und spielten, lag er schlaflos in seinem Zelte, und gedachte der Theuern, welche seiner gewissen Ueberzeugung nach eben so sehnsuchtsvoll
aus welcher Konrad zum letzten male ſchrieb, anlangte, ſo war das Regiment ſchon aufgebro- chen, und hatte ſeinen Marſch nach Schleſien ge- nommen. Er reiſte auch dahin ab, da aber der Krieg in dortiger Gegend eben ſehr hartnaͤckig be- gann, und Konrads Regiment eben auf Vorpo- ſten ſtand, ſo konnte er, aller Muͤhe ungeachtet, nicht vordringen, ward endlich als verdaͤchtig im Lager angehalten, und, ob er ſich gleich durch ſeine Paͤſſe legitimirte, doch nur mit dem Ver- ſprechen entlaſſen, daß er nie wiederkehren wolle. Dieſe Ungluͤcksfaͤlle ſchreckten den Alten ganz ab, mehr zu wagen, er kehrte ſchnell nach Strasburg zuruͤck, und erfuͤllte das Herz ſeiner Tochter mit neuer Trauer.
Unterdeſſen hatte Konrad ſchon einigemal mit dem Feinde gekaͤmpft, er ſuchte verzweiflungsvoll ſeinen Tod, aber er fand ihn nicht, erndete ſtatt dieſem Ehre und Lob ſeiner Vorgeſetzten, welche ſeine Tapferkeit bewunderten, und ihn, ehe ein halbes Jahr vergieng, zum Unteroffizier befoͤrder- ten. Sein Loos wuͤrde als dieſer ertraͤglich gewe- ſen ſeyn, wenn er nicht ein beſſeres gekannt, nicht von Karolinen haͤtte entfernt leben muͤſſen. Sehnſucht nach ihr verbitterte jede Stunde ſeines Lebens, verſchloß ſein Herz jeder Freude, und machte ihn zum Genuſſe unfaͤhig. Wenn andre zechten und ſpielten, lag er ſchlaflos in ſeinem Zelte, und gedachte der Theuern, welche ſeiner gewiſſen Ueberzeugung nach eben ſo ſehnſuchtsvoll
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aus welcher Konrad zum letzten male ſchrieb,
anlangte, ſo war das Regiment ſchon aufgebro-
chen, und hatte ſeinen Marſch nach Schleſien ge-
nommen. Er reiſte auch dahin ab, da aber der
Krieg in dortiger Gegend eben ſehr hartnaͤckig be-
gann, und Konrads Regiment eben auf Vorpo-
ſten ſtand, ſo konnte er, aller Muͤhe ungeachtet,
nicht vordringen, ward endlich als verdaͤchtig im
Lager angehalten, und, ob er ſich gleich durch
ſeine Paͤſſe legitimirte, doch nur mit dem Ver-
ſprechen entlaſſen, daß er nie wiederkehren wolle.
Dieſe Ungluͤcksfaͤlle ſchreckten den Alten ganz ab,
mehr zu wagen, er kehrte ſchnell nach Strasburg
zuruͤck, und erfuͤllte das Herz ſeiner Tochter mit
neuer Trauer.
Unterdeſſen hatte Konrad ſchon einigemal mit
dem Feinde gekaͤmpft, er ſuchte verzweiflungsvoll
ſeinen Tod, aber er fand ihn nicht, erndete ſtatt
dieſem Ehre und Lob ſeiner Vorgeſetzten, welche
ſeine Tapferkeit bewunderten, und ihn, ehe ein
halbes Jahr vergieng, zum Unteroffizier befoͤrder-
ten. Sein Loos wuͤrde als dieſer ertraͤglich gewe-
ſen ſeyn, wenn er nicht ein beſſeres gekannt,
nicht von Karolinen haͤtte entfernt leben muͤſſen.
Sehnſucht nach ihr verbitterte jede Stunde ſeines
Lebens, verſchloß ſein Herz jeder Freude, und
machte ihn zum Genuſſe unfaͤhig. Wenn andre
zechten und ſpielten, lag er ſchlaflos in ſeinem
Zelte, und gedachte der Theuern, welche ſeiner
gewiſſen Ueberzeugung nach eben ſo ſehnſuchtsvoll
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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