Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
sehnliche Art bereichert wurde, erlaubte hier wahr- scheinlich Ausnahmen, die in der gewöhnlichen Regel nicht statt finden. Karoline vergabte zwar dem Kloster ihr ganzes Vermögen, aber sie bedung sich die Nutznießung bis an ihren Tod, und ob- gleich jede Nonne das Gelübde der Armuth schwö- ren muß, so ward sie doch dispensirt, und die Aebtissin gestand ihr den Genuß der Interessen, jedoch mit der Bedingniß zu, daß sie alles zu got- tesdienstlichen Handlungen, und vorzüglich zum Besten des Klosters verwenden solle. Nie konnte sich das Kloster rühmen, eine eifrigere, folgsamere Novizin in seinen Mauern gehabt zu haben, sie unterzog sich ohne Murren jedem Geschäfte, das diesen aufgetragen wurde, sie murrte nur dann, wenn sie merkte, daß man ihres Vermögens we- gen ihr nicht hart genug begegnete, sie betete im- mer, und sprach äußerst wenig. Noch im nehmlichen Jahre baute sie mit Er- laubniß der Aebtissin zwei prächtige Altäre in der Kirche des Klosters, einer wurde dem heiligen Karl, der zweite dem heiligen Friedrich geweiht, zum letztern zeichnete sie dem Künstler die Idee selbst vor, und gab ihm ein kleines Portrait, nach welchem er das Gesicht des heiligen genau bilden mußte. Sie lächelte zum erstenmale wie- der, als dieser Altar in der Kirche aufgestellt wurde, und weilte oft halbe Tage und Nächte betend am Fuße desselben.
ſehnliche Art bereichert wurde, erlaubte hier wahr- ſcheinlich Ausnahmen, die in der gewoͤhnlichen Regel nicht ſtatt finden. Karoline vergabte zwar dem Kloſter ihr ganzes Vermoͤgen, aber ſie bedung ſich die Nutznießung bis an ihren Tod, und ob- gleich jede Nonne das Geluͤbde der Armuth ſchwoͤ- ren muß, ſo ward ſie doch diſpenſirt, und die Aebtiſſin geſtand ihr den Genuß der Intereſſen, jedoch mit der Bedingniß zu, daß ſie alles zu got- tesdienſtlichen Handlungen, und vorzuͤglich zum Beſten des Kloſters verwenden ſolle. Nie konnte ſich das Kloſter ruͤhmen, eine eifrigere, folgſamere Novizin in ſeinen Mauern gehabt zu haben, ſie unterzog ſich ohne Murren jedem Geſchaͤfte, das dieſen aufgetragen wurde, ſie murrte nur dann, wenn ſie merkte, daß man ihres Vermoͤgens we- gen ihr nicht hart genug begegnete, ſie betete im- mer, und ſprach aͤußerſt wenig. Noch im nehmlichen Jahre baute ſie mit Er- laubniß der Aebtiſſin zwei praͤchtige Altaͤre in der Kirche des Kloſters, einer wurde dem heiligen Karl, der zweite dem heiligen Friedrich geweiht, zum letztern zeichnete ſie dem Kuͤnſtler die Idee ſelbſt vor, und gab ihm ein kleines Portrait, nach welchem er das Geſicht des heiligen genau bilden mußte. Sie laͤchelte zum erſtenmale wie- der, als dieſer Altar in der Kirche aufgeſtellt wurde, und weilte oft halbe Tage und Naͤchte betend am Fuße deſſelben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#ESTHER"> <p><pb facs="#f0033" n="25"/> ſehnliche Art bereichert wurde, erlaubte hier wahr-<lb/> ſcheinlich Ausnahmen, die in der gewoͤhnlichen<lb/> Regel nicht ſtatt finden. Karoline vergabte zwar<lb/> dem Kloſter ihr ganzes Vermoͤgen, aber ſie bedung<lb/> ſich die Nutznießung bis an ihren Tod, und ob-<lb/> gleich jede Nonne das Geluͤbde der Armuth ſchwoͤ-<lb/> ren muß, ſo ward ſie doch diſpenſirt, und die<lb/> Aebtiſſin geſtand ihr den Genuß der Intereſſen,<lb/> jedoch mit der Bedingniß zu, daß ſie alles zu got-<lb/> tesdienſtlichen Handlungen, und vorzuͤglich zum<lb/> Beſten des Kloſters verwenden ſolle. Nie konnte<lb/> ſich das Kloſter ruͤhmen, eine eifrigere, folgſamere<lb/> Novizin in ſeinen Mauern gehabt zu haben, ſie<lb/> unterzog ſich ohne Murren jedem Geſchaͤfte, das<lb/> dieſen aufgetragen wurde, ſie murrte nur dann,<lb/> wenn ſie merkte, daß man ihres Vermoͤgens we-<lb/> gen ihr nicht hart genug begegnete, ſie betete im-<lb/> mer, und ſprach aͤußerſt wenig.</p><lb/> <p>Noch im nehmlichen Jahre baute ſie mit Er-<lb/> laubniß der Aebtiſſin zwei praͤchtige Altaͤre in der<lb/> Kirche des Kloſters, einer wurde dem heiligen<lb/> Karl, der zweite dem heiligen Friedrich geweiht,<lb/> zum letztern zeichnete ſie dem Kuͤnſtler die Idee<lb/> ſelbſt vor, und gab ihm ein kleines Portrait,<lb/> nach welchem er das Geſicht des heiligen genau<lb/> bilden mußte. Sie laͤchelte zum erſtenmale wie-<lb/> der, als dieſer Altar in der Kirche aufgeſtellt<lb/> wurde, und weilte oft halbe Tage und Naͤchte<lb/> betend am Fuße deſſelben.</p><lb/> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [25/0033]
ſehnliche Art bereichert wurde, erlaubte hier wahr-
ſcheinlich Ausnahmen, die in der gewoͤhnlichen
Regel nicht ſtatt finden. Karoline vergabte zwar
dem Kloſter ihr ganzes Vermoͤgen, aber ſie bedung
ſich die Nutznießung bis an ihren Tod, und ob-
gleich jede Nonne das Geluͤbde der Armuth ſchwoͤ-
ren muß, ſo ward ſie doch diſpenſirt, und die
Aebtiſſin geſtand ihr den Genuß der Intereſſen,
jedoch mit der Bedingniß zu, daß ſie alles zu got-
tesdienſtlichen Handlungen, und vorzuͤglich zum
Beſten des Kloſters verwenden ſolle. Nie konnte
ſich das Kloſter ruͤhmen, eine eifrigere, folgſamere
Novizin in ſeinen Mauern gehabt zu haben, ſie
unterzog ſich ohne Murren jedem Geſchaͤfte, das
dieſen aufgetragen wurde, ſie murrte nur dann,
wenn ſie merkte, daß man ihres Vermoͤgens we-
gen ihr nicht hart genug begegnete, ſie betete im-
mer, und ſprach aͤußerſt wenig.
Noch im nehmlichen Jahre baute ſie mit Er-
laubniß der Aebtiſſin zwei praͤchtige Altaͤre in der
Kirche des Kloſters, einer wurde dem heiligen
Karl, der zweite dem heiligen Friedrich geweiht,
zum letztern zeichnete ſie dem Kuͤnſtler die Idee
ſelbſt vor, und gab ihm ein kleines Portrait,
nach welchem er das Geſicht des heiligen genau
bilden mußte. Sie laͤchelte zum erſtenmale wie-
der, als dieſer Altar in der Kirche aufgeſtellt
wurde, und weilte oft halbe Tage und Naͤchte
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